Kein geheimer Handel

Trier · Nach dem Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber hat ein Gewürzhändler etliche Kunden seines alten Chefs angeschrieben, um diese für eine andere Firma abzuwerben. Wegen des Verrats von Betriebsgeheimnissen hatte die Staatsanwaltschaft Strafbefehl erhoben. Weil Beweise dafür allerdings fehlten, machte die Anklage einen Rückzieher.

Trier. Als sein Chef ihn kurzfristig kündigt, ist Marco M. so richtig sauer. Jahrelang hat er für den Salzhändler aus Mehring (Landkreis Trier-Saarburg) weltweit teure Gourmet-Salze eingekauft und in Deutschland weiter vertrieben. Als er im Februar 2012 entlassen wird, weil sein Chef Jürgen K. das aufwendige Einzelhandelsgeschäft aufgeben will, steht Marco M.s Plan schon so gut wie fest: Für einen schwäbischen Salz- und Gewürzhändler will er seinem ehemaligen Chef alle Kunden abwerben. In einer E-Mail, die die Polizei beim Durchsuchen seines Laptops sichergestellt hat, schreibt Marco M. seinem neuen Arbeitgeber: "Bis heute Abend habe ich es geschafft, alle Kunden von K. anzuschreiben."
Wegen des Verrats von Betriebsgeheimnissen hat Oberstaatsanwalt Wolfgang Bohnen von der für Wirtschaftskriminalität zuständigen Koblenzer Staatsanwaltschaft gegen Marco M. beim Trierer Amtsgericht Strafantrag gestellt. Die Anzeige eingereicht hatte der Mehringer Gewürzhändler Jürgen K.
"In der Absicht, K. Schaden zuzufügen, hat der Angeklagte Betriebsgeheimnisse unbefugt verwertet", wirft Staatsanwalt Bohnen Marco M. vor. Welche Betriebsgeheimnisse das gewesen sein sollen, kann der Oberstaatsanwalt in der fast vierstündigen Verhandlung allerdings nicht nachweisen.
"Der Salzmarkt ist ein kleiner Spezialmarkt, Einkäufer wie K. kennen da jeden Lieferanten und nahezu jeden Kunden. Mein Mandant hat also keine internen Kunden - oder Lieferantenlisten seines ehemaligen Arbeitgebers missbraucht, sondern seine persönlichen Kontakte und sein eigenes Wissen genutzt", erklärt Marco M.s Anwalt Andreas Ammer. Und weil es in Marco M.s Arbeitsvertrag mit dem Mehringer Gewürzhändler nicht die übliche Klausel gegeben habe, die nach Ausscheiden aus dem Betrieb eine Konkurrenzsperre vorsieht, könne man Marco M.s Art der Kundenakquise zwar eine "Sauerei" nennen. Strafbar sei sie allerdings nicht.
Gewürzhändler K. wirft seinem ehemaligen Mitarbeiter auch vor, Kenntnisse seiner Produktpreise genutzt zu haben, um diese über den neuen Arbeitgeber unterbieten zu können. "Sind Ihre Preislisten ein Betriebsgeheimnis?", fragt Oberstaatsanwalt Bohnen den Kläger K. "Naja, unseren Kunden stellen wir die schon zur Verfügung", antwortet dieser. "Sich Preislisten der Konkurrenz zu besorgen, ist normales Geschäftsgebaren", entkräftet Rechtsanwalt Ammer die Sache.
Auch der Vorwurf der Anklage, Marco M. habe drei "geheime Lieferanten" angeschrieben, um deren Produkte auch seinem neuen Arbeitgeber zu sichern, läuft ins Leere: Einer der drei "Geheimlieferanten" war gar nicht von M. abgeworben worden, sondern hatte dem schwäbischen Gewürzhändler von sich aus Produktproben geschickt. Die Adresse des zweiten Geheimlieferanten ist leicht im Internet zu finden. Und von dem dritten Exklusivhändler haben M. und sein mitangeklagter neuer Chef überhaupt keine Waren bezogen.
"Ich muss sagen, was Handfestes habe ich bisher nicht gehört", sagt Richter Ulrich Kasel denn nach gut dreieinhalb Stunden Verhandlung. Oberstaatsanwalt, Richter, Verteidiger und die Rechtsanwältin des Klägers ziehen sich zurück. Ergebnis: Der Strafantrag wird zurückgezogen, die Verhandlung ist beendet. Die Kosten des Verfahrens trägt der Steuerzahler.
Ob man nicht vor Erhebung der Anklage hätte überprüfen können, ob Preislisten und die geheimen Händler tatsächlich Betriebsgeheimnisse sind, sagt Oberstaatsanwalt Bohnen: "Ja, vielleicht, aber uns erschien eine Verurteilung wahrscheinlicher als ein Freispruch."

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