Kein guter Rutsch auf verschneitem Gehweg

Schweich · Eine Fußgängerin stürzt auf einem vereisten Schweicher Gehweg und verletzt sich. Glück für den zum Streuen verpflichteten Grundstückseigentümer: Die Frau hat weder einen Arzt aufgesucht noch Schadenersatzansprüche gestellt. Ansonsten hätte es für ihn teuer werden können.

Schweich. Schmerzhaft endete für Michaela Kolz aus Gusterath am Samstag ein Besuch in Schweich: Auf einem mit Eis bedeckten Gehweg rutschte sie aus und stürzte. Kolz (38) gegenüber dem TV: "Um die Mittagszeit bin ich mit winterfesten Schuhen zu Fuß durch Schweich gegangen, da ich nach dem Einkauf zu einem Restaurant in der Innenstadt wollte. Mein Plan wurde jäh durchkreuzt, als ich auf dem vereisten Gehweg ausrutschte, stürzte und mit dem Hinterkopf aufschlug." Die Folgen: Kopfschmerzen, Prellungen am linken Arm, an der Hüfte sowie am Rücken, die Jacke total nass und dreckig. Kolz: "Am Sonntag tat mir alles weh, und mein Genick schmerzte. Leichte Kopfschmerzen waren immer noch da, und am Samstagabend gesellte sich Schwindel hinzu, der am Sonntag zum Glück verschwunden war."
Die Betroffene fragt: "Wer kommt dort seiner Räumpflicht nicht nach? Warum halten Stadt und Verbandsgemeinde den Zustand der winterlichen Gehwege nicht besser im Auge und verhängen gegebenenfalls Strafen?"
Privatrechtliche Folgen drohen


Stadtbürgermeister Otmar Rößler verweist auf die städtische Satzung zur Straßenreinigung. Einen städtischen Straßendienst gibt es nicht - somit werden von den Anwohnern auch keine Straßenreinigungsgebühren erhoben. Stattdessen sind in Schweich Grundstückseigentümer wie andernorts verpflichtet, die Gehwege vor ihren Anwesen von Schnee und Eis frei zu halten. Rößler: "Das Problem sind die unbebauten Grundstücke oder die unbewohnten Anwesen. Auch dort haben die Eigentümer dieselben Pflichten - aber Räumen und Streuen werden dort oft vergessen oder erfolgen nur unregelmäßig."
Unabhängig davon hafte der Grundstücksbesitzer gegenüber den Geschädigten privatrechtlich für Unfälle auf nicht geräumten Gehwegen.
Die Rechtslage ist also klar: Michaela Kolz hätte privatrechtliche Ansprüche gegen die Grundstückseigner auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Und wäre sie zum Arzt gegangen, hätte der Grundstückseigner von der Krankenversicherung bald unangenehme Post in Sachen Kostenersatz bekommen. Grund: Die Behörden sind gegenüber Krankenversicherungen zur Auskunft über die betreffenden Grundstückseigentümer verpflichtet. Die Kassen begleichen nach Glatteisunfällen zunächst Arzt- und Heilungskosten, halten sich dann aber am Grundstückseigner schadlos.
Auch könnte das Ordnungsamt gegen säumige Schneeräumer Bußgelder verhängen. Doch dies sei eher die Ausnahme, erklärt Wolfgang Deutsch von der Verbandsgemeinde (VG) Schweich auf Anfrage. Es fehle das Personal, um innerhalb der VG flächendeckend zu kontrollieren und auf Verstöße mit Bußgeldern zu reagieren. Zu Deutsch: "In krassen Fällen weisen wir die Grundstückseigentümer auf die Missstände hin und erinnern sie an die erheblichen zivilrechtlichen Folgen, die ein Glätteunfall vor ihrem Anwesen haben kann."Meinung

Wehe, wenn etwas passiert
Grundstückseigentümer sind im Winter für den sicheren Zustand ihres Gehwegstücks vor dem Haus verantwortlich. In den meisten Fällen funktioniert diese Regel. Als Problem gelten Bürgersteige vor unbebauten Grundstücken oder leerstehenden Anwesen: Sie geraten bei den entfernt wohnenden Eigentümern leicht in Vergessenheit - oder Eigentümer engagieren einen Dienstleister, der seine Aufträge der Reihe nach abarbeiten muss. Daher gleichen manche Bürgersteige nach einer Schneenacht einem Flickenteppich aus geräumten und verschneiten Flächen. Sollte da nicht das Ordnungsamt der Verbandsgemeinde (VG) einschreiten und Bußgelder verhängen? In der Theorie schon, in der Praxis ist dies aber nicht machbar. Beispielsweise müssten die wenigen Ordnungsamtsmitarbeiter der VG Schweich die Straßen einer Stadt und von 19 Ortsgemeinden im Blick halten - und das je nach Wetterlage mehrfach täglich. Und würde das Amt nach dem Gießkannenprinzip nur einige Exempel statuieren, wäre der Bürgerunmut wegen dieser "Ungerechtigkeit" groß. Ein Bußgeld für den verschneiten Bürgersteig ist eben nicht zu vergleichen mit einem Knöllchen fürs Parken im ausgeschilderten Halteverbot. Den Grundstückseigentümer entlastet das nicht: Wenn etwas vor seinem Anwesen passiert, steht er in der Pflicht. Und diese Pflicht kann ihn im Falle eines (Un-)Falles teuer zu stehen kommen. Heilkosten, Schmerzensgeld, Schadenersatz, womöglich auch Gerichts- und Anwaltskosten - Schnee und Eis vor dem Haus einfach liegen zu lassen, gleicht einem Vabanquespiel. f.knopp@volksfreund.deExtra

Die Räum- und Streupflicht der Grundstückseigentümer regeln die Gemeinden in einer Straßenreinigungssatzung, die von Ort zu Ort Varianten aufweisen kann. Alle Regelungen fußen auf einer Mustersatzung des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz. Grundsätzlich gilt bei Schnee und Eis: Die Grundstückseigentümer sind verpflichtet, den Gehweg vor ihrem Anwesen frei zu halten. Sie können diese Aufgabe an Dritte (Mieter, Pächter, Hausmeisterdienste) delegieren. Bei Gemeindestraßen kann sich die Pflicht auch auf Teile der Straße (die Fahrbahnhälfte vor dem Haus) erstrecken. In den Orten der VG Schweich sind die Satzungen zur Straßenreinigung weitgehend identisch. In allen Orten sind die Grundstückseigentümer für den Zustand der Gehwege und der Gemeindestraßen vor ihren Anwesen verantwortlich. Dies gilt auch für die Stadt Schweich. Abweichungen gibt es insbesondere bei den Zeitfenstern, in denen geräumt oder gestreut werden muss. In Schweich ist dies zwischen 7 und 20 Uhr vorgeschrieben, in dörflichen Gemeinden endet die Pflicht früher am Abend. In der Regel muss für Fußgänger ein Weg von 1,50 Metern Breite offen bleiben. Hydranten sind von Eis und Schnee frei zu halten. In Schweich sind nach 20 Uhr gefallener Schnee und entstandene Glätte werktags bis 7 Uhr, an Sonn- und Feiertagen bis 9 Uhr am Morgen zu beseitigen. In der VG Ruwer müssen Grundstückseigentümer laut Straßenreinigungssatzung Fahrbahnen, Gehwege und Fußgängerüberwege in ihrer Straße sauber halten. Bei Schnee und Eis gilt: Gestreut werden muss auf Gehwegen, Fußgängerüberwegen und besonders gefährlichen Fahrbahnstellen so, dass zwischen 7 und 20 Uhr dort "keine Rutschgefahr" besteht. In der VG Trier-Land sind die örtlichen Satzungen mit denen der Nachbarn vergleichbar. Dies gilt auch für Zeiten, an denen die Wege frei zu halten sind. Eine Gemeinsamkeit aller Satzungen ist, dass Streusalz nur bei extremen Witterungsbedingungen oder an besonderen Problemstellen angewendet werden darf - sonst sind "abstumpfende Stoffe" (Asche, Sand, Granulat) zu verwenden. f.k./cweb

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