Infrastruktur Trier-Pfalzeler fahren im Fünf-Sterne-Bus zum Arzttermin

Trier-Pfalzel · Kein Hausarzt mehr im Stadtteilzentrum – das machte die Trier-Pfalzeler erfinderisch. Ein Modell für andere Orte?

 Hier werden die Fahrgäste noch persönlich begrüßt: Werner Pfeiffer mit dem von Kylltal-Reisen gestellten Kleinbus und der improvisierten Einstiegshilfe.

Hier werden die Fahrgäste noch persönlich begrüßt: Werner Pfeiffer mit dem von Kylltal-Reisen gestellten Kleinbus und der improvisierten Einstiegshilfe.

Foto: Noah Drautzburg

Seit einigen Wochen hat Werner Pfeiffer seine eigene, kleine Buslinie. Jeden Morgen um kurz nach 9 Uhr fährt der 72-Jährige mit einem weißen Kleinbus der Firma Kylltal-Reisen durch Trier-Pfalzel. An jeder Bushaltestelle stoppt er und sammelt „seine Patienten“, wie er sie mittlerweile nennt, ein. Er steigt aus und begrüßt die Wartenden. „Und, wie ist es?“ „Och, ganz gut“, schallt es ihm entgegen, damit ist ja bekanntlich schon fast alles gesagt. Pfeiffer hilft beim Einsteigen. Zur Unterstützung  hat er eigens einen kleinen weißen Plastikhocker besorgt.

Endstation ist die Praxis der Ärztinnen Monika Parth und Karin Gutmann-Feisthauer. 15 Jahre lang haben die beiden ihre Praxis mitten in Pfalzel betrieben. Sie wurden fester Bestandteil des Lebens im Stadtteil, kannten die Probleme ihrer Stammpatienten. Doch im Lauf der Zeit, erklärt Karin Gutmann-Feisthauer, habe sich das Patientenaufkommen fast verdoppelt, die Räume wurden zu klein und die Parkplätze zu wenig. Aus den Behandlungszimmern drang jeder Ton nach außen, und für gehbehinderte Menschen wurden die Stufen vor der Eingangstür zum Problem.

Auf der Suche nach einer neuen Immobilie wurden sie in der Ortsmitte nicht fündig. Als sich die Möglichkeit bot, in einen barrierefreien Neubau zu ziehen, schlugen sie zu. Doch der befindet sich in einem gut zweieinhalb Kilometer entfernten Gewerbegebiet, das für ältere Patienten ohne Auto kaum erreichbar ist.

Verschiedene Lösungen scheiterten. Eine Busanbindung, eine Mitfahrerbank oder ein Rufbus – alles nicht möglich oder zu kompliziert.

Erst eine Anfrage der Ärztinnen bei Familie Müller, den Eignern der Firma Kylltal-Reisen, die zum Teil seit Jahrzehnten in Pfalzel wohnen, brachte Erfolg. „Pfalzel hat uns so viel Freude bereitet, wir sind sehr vernetzt in diesem Ort“, erklärt Thomas Müller auf TV-Anfrage. Davon habe die Familie etwas zurückgeben wollen. „Da kam uns die Idee mit dem kostenlosen Shuttledienst zur Arztpraxis.“ Kylltal-Reisen stellt den Kleinbus zur Verfügung, der jetzt von Werner Pfeiffer gefahren wird.

Der ehemalige Ortsvorsteher fährt ohnehin jeden Tag für das Busunternehmen. „Ich hatte im Stadtteil schon alle möglichen Aufgaben“, erinnert er sich. „Da habe gesagt: Für die Pfalzeler mache ich das.‘“ Und so kam es. Seit dem 3. Januar, jeden Tag.

An der Praxis angekommen, begleitet er die Patienten hinein und bespricht sich mit den Arzthelferinnen. Mittlerweile hat das Praxis-Personal Pfeiffers Handynummer. Wenn besonders viel Andrang ist und es länger dauert, kommt er erst auf Abruf wieder.

Auch für die Ärztinnen ist das eine Herausforderung. „Der Bus ist immer eine Wundertüte morgens“, sagt Monika Parth. Sie und ihre Kollegin versuchen, sich den Vormittag so gut es geht für „Bus-Patienten“ freizuhalten. Doch das   können mal zwei, mal zehn Leute sein. Dennoch habe bisher alles einwandfrei funktioniert, sind sich Werner Pfeiffer und die Ärztinnen einig.

Es ist eine Lösung, die viel guten Willen voraussetzt, doch für viele ist sie ein großer Fortschritt. Alle Seiten profitieren von der neuen Praxis. Patienten, die schon früher weit laufen mussten, können sich jetzt eine Bushaltestelle aussuchen. Und: „Auch sozial gesehen ist der Bus eine nette Sache“, können die Ärztinnen der Sache noch mehr Positives abgewinnen. Wenn ein ehrenamtlicher Fahrer und ein spendables Busunternehmen zusammenkommen, könnte das Modell vielen Menschen in Orten ohne Arztpraxen das Leben erleichtern.

Noch immer erreichen Werner Pfeiffer regelmäßig Anrufe von Menschen, die gerade erst von dem Angebot erfahren haben. Früher oder später wird er auch eine Vertretung brauchen. Er sagt: „Es ist noch nicht alles perfekt, doch auch dafür werden die Pfalzeler Lösungen finden.“

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