Kein Lutherspiel für Rollstuhlfahrer

Trier · Behindertenbeauftragter kritisiert Kunst-Installation. Evangelischer Kirchenkreis entschuldigt sich.

 Rote Aufkleber für die Ausstellung: Triers Behindertenbeauftragter Gerd Dahm ärgert die nicht behindertengerechte Installation „Apropos Luther“ an und in der Konstantin-Basilika. TV-Foto: Rainer Neubert

Rote Aufkleber für die Ausstellung: Triers Behindertenbeauftragter Gerd Dahm ärgert die nicht behindertengerechte Installation „Apropos Luther“ an und in der Konstantin-Basilika. TV-Foto: Rainer Neubert

Foto: (h_st )

Trier Wenn Gerd Dahm richtig sauer ist, kann ihn wenig bremsen. Diese Charaktereigenschaft wird auch dem Reformator Martin Luther nachgesagt, der vor 500 Jahren mit seinen Thesen für Aufruhr sorgte. Für Dahm, den Behindertenbeauftragten der Stadt Trier, war gestern wieder so ein Tag des Zorns. Auslöser ist die interaktive Installation "Apropos Luther" in der Konstantin-Basilika, die noch bis Sonntag dazu einlädt, das Leben und Denken des Reformators spielerisch kennenzulernen.
"Diese Ausstellung schließt in ihrer Form und Konzeption behinderte Menschen aus", wettert Dahm, der seine Kritik in einem offenen Brief an das Projektteam der Hochschule Trier und den Evangelischen Kirchenkreis formuliert. "Arbeits- und Aktivitätsflächen sind so gestaltet, dass sie für rollstuhlfahrende Menschen nicht erreichbar sind." Nicht ansatzweise lasse sich erkennen, dass die Ausstellung einem inklusiven Anspruch gerecht werden möchte.
Die roten Aufkleber, die Gerd Dahm am Freitagmittag auf die blaue Möblierung der Installation klebt, sind nicht missverständlich: "Wir müssen draußen bleiben", steht darauf in weißer Schrift neben dem schwarzen Piktogramm eines Rollstuhlfahrers.
Beim Evangelischen Kirchenkreis sorgt die Kritik für Betroffenheit. "Bei der Installation handelt es sich um ein Projekt, welches zum einen den interaktiven Aspekt in den Mittelpunkt stellt, zum anderen aber auch Ausdruck eines künstlerischen Umgangs mit dem Thema Reformation ist. In dieser Spanne ist die Frage nach dem inklusiven Aspekt in der Tat zu kurz gekommen", bekennt Pfarrerin Maike Roeber, Sprecherin des Kirchenkreises. "Das bedauern wir als Evangelischer Kirchenkreis sehr. Wir haben es im Vorfeld versäumt, auf diesbezügliche Fragen hinzuweisen. Zukünftig werden wir bei Projekten, an denen der Evangelischer Kirchenkreis beteiligt ist, darauf achten, dass diese Fragen bereits im Vorfeld in den Blick genommen werden."
Erstellt wurde die Installation von sechs Projektgruppen aus den Fachbereichen Gestaltung und Information der Hochschule Trier. Mehr als 10 000 Arbeitsstunden haben die 30 Studenten in die Ausstellung investiert. Projektleiter ist Professor Daniel Gilgen, der ebenfalls noch am Freitag auf die Kritik reagiert. "Wir haben während der Konzeptionsphase durchaus überlegt und besprochen, wie wir die einzelnen Stationen für Menschen mit Behinderung öffnen können", schreibt er in einem offenen Brief. "Da es sich nicht um eine Ausstellung, sondern um eine multimediale Installation handelt, bleibt einigen Menschen mit Beeinträchtigungen im Bereich des Seh- oder Gehörsinns der inhaltliche Zugang zu einigen Spielen zum Teil verschlossen. Dessen sind wir uns durchaus bewusst, möchten aber auch darauf hinweisen, dass die Installation als solche formal als Kunstwerk zu betrachten ist."
Menschen im Rollstuhl hätten allerdings trotz ihrer Einschränkung Zugang zu einzelnen Stationen.
Doch die Aktion des Beauftragten für Menschen mit Behinderung zeigt auch bei dem Hochschulprofessor Wirkung: "Durch Ihren Brief ist mir bewusst geworden, dass es bei unserer Installation daran mangelt, die Besucher auf unsere Betreuer vor Ort hinzuweisen", schreibt Gilgen und verspricht Besserung: "Wir kümmern uns augenblicklich darum, entsprechende Hinweise außerhalb und innerhalb der Basilika gut sichtbar anzubringen, damit sich niemand ausgeschlossen oder allein gelassen fühlt."
Wer das überprüfen will, hat heute und morgen zwischen 10 und 18 Uhr noch die Möglichkeit. Vor und in der Basilika darf gespielt werden.

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