Kein Vertrauen in Stadtpatron Petrus

TRIER. Am 19. Februar 1944 versank nach einer zwölfstündigen Verfolgungsjagd mit Wasserbomben das Trierer Paten-U-Boot U 264. Damit endete heute vor genau 60 Jahren ein kaum bekanntes Kapitel Trierer Geschichte.

Patenschaften über U-Boote waren im Zweiten Weltkrieg recht häufig. Sie sollten ein Band der Verbundenheit zwischen Heimat und kämpfender Truppe knüpfen. Die Trier-Patenschaft hatte Günther Loeschke vermittelt, am 30. August 1921 in Trier geborener Sohn des Archäologen und Landesmuseums-Abteilungschefs Siegfried Loeschke. Üblicherweise trugen die U-Boote das Wappen der Patenstadt am Turm. Bei U 264 verhielt es sich anders. Dem Petrus-Motiv standen die Seeleute skeptisch gegenüber - der Stadtpatron mit dem Himmelstor-Schlüssel verhieß eine schnelle Himmelfahrt. Kommandant Hartwig Looks trug den Bedenken seiner Besatzung Rechnung: U 264 ging ohne Wappen auf Feindfahrt im Atlantik. Rückfahrt mit 75 Schiffbrüchigen

U 264 (Typ VII C, vergleichbar mit dem U-Boot aus dem Film "Das Boot") läuft ein knappes halbes Jahr nach der Indienststellung in Bremen am 3. November 1942 zur ersten Feindfahrt aus. Bei Angriff auf einen Geleitzug versenkt U 264 den Dampfer "Mount Taurus", muss aber kurz darauf nach nach einer Wasserbomben-Verfolgung schwer beschädigt den Rückmarsch in den neuen Heimathafen St. Nazaire antreten. Seine zweite Feindfahrt vom 10. Januar bis 5. März 1943 absolviert das Trierer Patenboot im Geleit für den Blockadebrecher "Hohenfriedberg". Nach Entschlüsselung deutscher Funksprüche ist der britische Schwere Kreuzer "Sussex" bereits auf der Jagd. Nach den ersten Treffern geht die Tankerbesatzung in die Boote und versenkt ihr Schiff selbst. Ein Torpedo-Angriff auf den abdrehenden Kreuzer scheitert, die Rettung der Schiffbrüchigen aber gelingt. Mit den 75 Mann von der "Hohenfriedberg" erreicht das U-Boot nach sieben Tagen drangvoller Enge St. Nazaire. Auf Feindfahrt Nummer drei versenkt U 264 in der Nacht zum 5. Mai 1943 drei Schiffe ("West Maximus", "Harperley" und "Harbury") mit ingsesamt mehr als 15 000 Bruttoregistertonnen. Gemeinsam mit den Besatzungen von 14 weiteren U-Booten wähnen sich die Männer von U 264 vor einem großen Erfolg. Ein Irrglaube, denn die Geleitzug-Jäger laufen wegen aufkommenden Nebels ins Leere und werden selbst zu Gejagten. Die mit Radar ausgestatteten Begleitzerstörer versenken nach und nach sechs U-Boote und beschädigen weitere vier schwer. U 264 entkommt nur knapp seinen Verfolgern. Im Mai 1943 verliert die deutsche Marine insgesamt 41 U-Boote. Die Schlacht im Atlantik ist verloren. Ein Teil der U 264-Mannschaft erhält Heimaturlaub und folgt einer Einladung ihrer Patenstadt. Beim Empfang im Rathaus am Kornmarkt überreichen Besatzungsmitglieder Oberbürgermeister Ludwig Christ ein aus Milchdosen gefertigtes, 80 Zentimeter langes U-Boot-Modell. Der Kameradschaftsabend mit Tanz findet gegenüber im Hotel "Zur Post" statt. Am nächsten Tag führt Professor Siegfried Loeschke die Bootsleute zu Triers Sehenswürdigkeiten. Die vierte Feindfahrt übersteht U 264 erneut mit viel Glück. Beim Tanken nördlich der Azoren entdeckt, müssen das Trierer Patenboot, zwei weitere U-Bootes und der U-Tanker mit ihren Flak-Geschützen zwölf US-Flugzeuge auf Distanz halten, die ihrerseits auf die Tauchmanöver warten, um die dann wehrlosen Boote anzugreifen. U 264 entkommt mit Alarmtauchen, der Tanker und U 422 erleiden tödliche Bombentreffer. Kommandant Looks lässt wieder auftauchen, um nach etwaigen Überlebenden zu suchen, aber noch immer kreisen die Flugzeuge und greifen erneut an. Wieder mit Alarmtauchen auf 50 Meter Tiefe angelangt, erschüttert eine heftige Explosion das Boot: Ein "Fido", ein akustisch gesteuerter Flugzeugtorpedo, hat das Heck getroffen. Unter großen Schwierigkeiten fängt der Leitende Ingenieur das Boot auf 180 Meter ab und kann es trotz starken Wassereinbruchs den ganzen Tag auf Tiefe halten - erneutes Auftauchen wäre Selbstmord. Stark angeschlagen und fast zwei Meter kürzer kommt U 264 wieder in St. Nazaire an. U-Boot-Geschichte schreibt die Besatzung, als sie am 5. Februar 1944 als erste mit Schnorchel (ausfahrbarer Luftmast) zur fünften Feindfahrt ausläuft. Beim Versuch, an einen Geleitzug heranzukommen, gerät U 264 ins Visier der erfolgreichsten U-Jagdgruppe des Zweiten Weltkriegs unter Captain F. J. Walker. Mehr als 200 Wasserbomben werden geworfen. Kommandant Hartwig Looks notiert: "Die noch intakte Hauptlenzpumpe schaffte die eindringenden Wassermengen nicht mehr. Gegen 18 Uhr sackte das Boot auf 230 Meter. Als dann noch die überlastete E-Maschine zu brennen anfing, musste abgeblasen werden. Das Boot stieg zunächst sehr langsam, dann immer schneller werden an die Oberfläche. Dort tauchte es inmitten von den fünf U-Jagdfahrzeugen auf, die uns verfolgt und bekämpft hatten. Der Kampf war vorbei, und die Besatzung unseres treuen U 264 verließ in mustergültiger Disziplin das Boot." Trierer Loeschke: Tod in Schul-U-Boot

Triers Patenboot versank am 19. Februar 1944 gegen 18 Uhr im Nordatlantik. Die gesamte Besatzung wurde von den Briten gerettet und kam in Gefangenschaft - Petrus hatte also nicht das Himmelstor für sie geöffnet. Nachzutragen bleibt das Schicksal von Günther Loeschke. Er verließ U 264 vor der fünften Feindfahrt und wurde Kommandant von U 7, einem in der Ostsee stationierten Schulboot. Am 18. Februar 1944 tauchte U 7 westlich von Pillau nicht mehr auf, vermutlich wegen einer Tauchpanne. Mit dem Trierer starben die übrigen 24 Besatzungsmitglieder und die zur Ausbildung auf U 7 kommandierten Seeleute.

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