Keine Angst vor Herausforderungen

TRIER. Vorurteile à la "Die Jugend von heute taugt nichts" verbreiten – das ist eine sichere Methode, Alexandra Lossjew zu (ver-) ärgern. "In den Jugendlichen von heute steckt mehr drin, als sie selbst ahnen", sagt die 43-Jährige und arbeitet als IHK-Referentin daran, schlummernde Talente und Fähigkeiten zu wecken.

Ja, die Jugend von heute. Immer nur lamentieren ist leicht. Alexandra Lossjew hat sich für die schwierigere Variante entschieden - "freiwillig und guter Dinge". Zuvor seit 1994 bei der Industrie- und Handelskammer Trier (IHK) in der Unternehmensberatung und Existenzgründung tätig, widmet sie sich seit 2002 im Geschäftsbereich Aus- und Weiterbildung auch einer völlig neuen und selbst gestellten Aufgabe. Team von engagierten Ehrenamtlichen

Hehres Ziel: Die Ausbildungsreife von Schulabgängern steigern und mit dazu beitragen, den Jugendlichen Lust an Beruf und Mut zu Eigenverantwortlichkeit zu vermitteln. Mit besagter Ausbildungsreife - da stimmt Alexandra Lossjew zu - geht es seit 15, 20 Jahren bergab. Doch das liege weniger an den Herren und Damen Schulabgängern, sondern vielmehr an der heutigen Wohlstands- und Spaß-Gesellschaft. "Ich denke, in den Jugendlichen steckt viel mehr, als sie selbst ahnen. Sie haben aber nur noch selten Gelegenheit, das herauszufinden. Das Denken wird vielfach abgenommen, Lust auf Herausforderungen und Anstrengungen entsteht gar nicht mehr. Folglich ist es mit Grundtugenden wie Durchhaltevermögen und Leistungsbereitschaft vielfach nicht mehr weit her", sagt die IHK-Referentin. Ihr Gegenrezept: "Förden durch fordern! Auf die Acht- und Neuntklässler eingehen, sie bei der Ehre packen, informieren, fit machen und Perspektiven aufzeigen. Es muss nicht immer KFZ-Mechatroniker oder Arzthelferin sein. Wir haben 350 Ausbildungsberufe in Deutschland." Dazu hat sie zunächst ein Pilotprojekt mit der Regionalen Schule Salmtal aus der Taufe gehoben, das ab diesem Schuljahr auf sechs weitere Schulen übertragen wurde (darunter wie bereits 2005/06 das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium sowie die Private Hauptschule St. Maximin). Alexandra Lossjew begleitet mit einem Stab von Ehrenamtlichen ("kompetente und engagierte Leute") die 14- bis 16-Jährigen ein halbes Jahr lang in freiwilligen Schüler-Arbeitsgemeinschaften. Ein Job, um den sich vermutlich niemand reißen würde, den die aus Mülheim (Mittelmosel) stammende 43-Jährige aber gerne macht: "Ich bin eben Idealistin. Und ich sehe unsere Mühen belohnt: Schon manch vermeintliches Problemkind hat wider eigenem Erwarten eine Ausbildungsstelle erhalten." Immer vorausgesetzt: Die Jugendlichen wollen. Unter Gymnasiasten gebe es die meisten "Resistenten", die glaubten, sie hätten das nicht nötig. Hauptschüler erkennen viel schneller die Chance, die sich bietet und nutzen sie - bis hin zu dem "unvergleichlich guten Gefühl", etwas fertig gebracht zu haben, von dem man nicht geglaubt hat, es schaffen zu können. Bei Herausforderungen und dem Beschreiten von nicht eingefahrenen Wegen weiß Alexandra Lossjew, wovon sie spricht: "Ich habe fürchterliche Höhenangst, bin aber leidenschaftliche Bergwanderin und -steigerin." Die Bereitschaft, an Grenzen zu gehen und sich notfalls mit einer Engelsgeduld mit ihnen auseinander zu setzen, imponiert den meisten Jugendlichen. Einige hundert Schülerinnen und Schüler haben die IHK-Referentin und ihr Mitstreiter-Team bisher begleitet. Viele weitere werden dazu kommen. Das Grundsatzproblem lasse sich damit aber nicht lösen. Eher so: "Schulen müssten die Möglichkeit haben, sich selbst zu verwalten. Sie müssten Unterricht freier gestalten und mehr auf die Bedürfnisse junger Leute eingehen können, damit diese Freude am Lernen haben." Dann kommt wieder die Positiv-Denkerin zum Vorschein: "Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Grundsätzlich nicht."

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