"Kinder sind ein Abschreckungsfaktor"

TRIER. Seit fast zwei Jahren sucht eine junge Familie aus Trier eine halbwegs passende Wohnung. Ohne Erfolg. Dabei brauchen die Piepers aufgrund einer schweren Erkrankung ihres achtjährigen Sohnes dringend ein erträgliches Wohnumfeld.

 Wohnzimmer für sechs Personen und Schlafzimmer für den Vater: Familie Pieper wohnt unter extrem beengten Verhältnissen.Foto: Friedemann Vetter

Wohnzimmer für sechs Personen und Schlafzimmer für den Vater: Familie Pieper wohnt unter extrem beengten Verhältnissen.Foto: Friedemann Vetter

HeikePieper ist eine ungewöhnliche Frau. Dass jemand 27 Jahre alt istund vier Kinder im Alter von 7 bis 12 Jahren hat, fällthierzulande aus dem Rahmen. "Wir haben halt etwas früherangefangen als die meisten", antwortet sie amüsiert auf eineentsprechende Nachfrage. Nicht nur das ist anders bei Familie Pieper. Ehemann Eduard übernahm, als er vor vier Jahren arbeitslos wurde, die Rolle des Hausmanns. "Bei vier Kindern ist das ein Fulltime-Job", bestätigt er, was meist nur Mütter aus eigener Anschauung wissen.

Ehefrau Heike war von Anfang an entschlossen, das nachzuholen, wofür ihr aufgrund des frühen Nachwuchses keine Zeit geblieben war: eine ordentliche Berufsausbildung. Als auch das vierte Kind im Kindergartenalter angekommen war, lernte sie kaufmännische Angestellte. Seit letztem Herbst arbeitet sie als Exportkauffrau bei einem großen Trierer Unternehmen - zunächst, wie heute üblich, mit einem befristeten Vertrag.

Familie Pieper wohnt an der Nahtstelle zweier Trierer Stadtteile, mitten in einer "Problemzone". Heike und ihr Mann sind hier groß geworden, haben miterlebt, dass sich das Wohngebiet nicht gerade zu seinem Besten entwickelt hat. Inzwischen haben sie eine klare Meinung: "Wir wollen nicht, dass unsere Kinder hier aufwachsen".

So beschlossen sie vor eineinhalb Jahren, eine neue Wohnung zu suchen. Das derzeitige Domizil ist ganze 57 Quadratmeter groß, auf drei Zimmern drängen sich zwei Erwachsene, vier Kinder und die beiden kleinen Mischlingshunde, die nach Meinung aller sechs Piepers zur Familie gehören. Die Wohnung wirkt ordentlich, an das Fehlen der meisten Türen muss man sich freilich erst gewöhnen. Vorhänge beanspruchen eben weniger vom kostbaren Platz.

Die Suche nach einer Wohnung mit halbwegs akzeptablem Zuschnitt gestaltete sich ungeahnt schwierig. Es hagelte Absagen. Dabei sind die Piepers alles andere als "Asos". Als "gute Mieter" stuft sie die GBT ein, der die jetzige Wohnung gehört. Man würde ihnen gerne etwas anderes anbieten, heißt es bei der Wohnungsbaugesellschaft, aber "im Moment haben wir einfach nichts passendes im Angebot". Man werde auf die Familie zugehen, "so bald etwas frei wird".

Aber das ist eine ungewisse Perspektive. So machte sich Heike Pieper selbst auf die Suche. Eine Kaltmiete bis maximal 750 Euro könnte die Familie aufbringen, für "wenigstens mal vier Zimmer", so der eher bescheidene Wunsch. Monatelang wälzte man den TV -Anzeigenteil, hängte Zettel aus, fragte nach. Erfolg gleich Null.

Bei Vermietern klappt das Visier herunter

"Manchmal waren die Wohnungen einfach zu teuer oder in miserablem Zustand", erinnert sich Heike Pieper, "aber es hätte auch etliche gegeben, die in Frage gekommen wären". Doch kaum war von vier Kindern und zwei Hunden die Rede, klappte bei den Vermietern das Visier herunter.

"Man hat das Gefühl, Kinder sind für manche Leute ein Abschreckungsfaktor", lautet das enttäuschende Resümee. Besonders frustrierend: Vermieter, die auch noch Sorge um die potenziellen Mieter vorschieben. "Die haben dann gesagt 'Ach, die Wohnung ist doch viel zu klein für sie'. Da wird man sauer bei so viel Heuchelei".

Seit zwei Monaten hat die Wohnungssuche von Eduard und Heike Pieper eine ganz neue, dramatische Dimension angenommen. Denn bei Sohn Edi, 8, wurde ein Lymphom diagnostiziert, eine Krebs-Erkrankung. Seither pendelt er zwischen der Chemotherapie im Mutterhaus und der winzigen Wohnung hin und her. Damit er ab und zu zur Ruhe kommt, haben die Piepers ihn im Elternschlafzimmer einquartiert, der Vater ist ins Wohnzimmer umgezogen.

Edis Krankheit ist ernst, aber nicht unheilbar. Doch zur Behandlung gehört eine "extrem aggressive Chemotherapie", berichtet Professor Wolfgang Rauh, Chefarzt der Kinderklinik im Mutterhaus. Die körpereigenen Abwehrkräfte seien völlig reduziert, der Kleine "extrem infektgefährdet". So könne eine "Optimierung der Umgebungsverhältnisse" ein wichtiger Faktor bei der Gesundung sein.

Von einer gesundheitsfördernden Umgebung kann aber im Moment keine Rede sein. Nicht nur wegen der Winzigkeit der Wohnung. Das Wohngebiet drumherum ist zu laut. Bis in die späte Nacht ist Palaver auf der Straße und in den Wohnungen, öfter wird die Polizei zum Einsatz gerufen. Die Kinder gehen "regelmäßig mit dicken Augen in die Schule, weil sie nachts nicht zur Ruhe kommen", stellt die Mutter fest.

So sind die Piepers fest entschlossen, die Suche nach einer neuen Wohnung fortzusetzen. Und sie hoffen auf einen kinderfreundlichen Vermieter. Möglichst in Trier, aber auch in der näheren Umgebung.

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