Kippen Vogelhorste Moselwindräder?

Schweich/Riol/Mehring · Die Windkraftpläne an der Mosel könnten zerschlagen werden. Jedenfalls haben die Gegner des Projekts Oberwasser bekommen, seit das "Helgoländer Papier" größere Mindestabstände von Windrädern zu schützenswerten Vogelarten vorgibt. Wenn der Verbandsgemeinderat Schweich am Dienstag das Thema behandelt, werden viele Zuhörer erwartet.

 Werden die Moselwindräder zur Beute des Schwarzstorchs? Der seltene Vogel brütet in der Nähe der geplanten Anlagen. Foto: dpa/Montage Birgit Keiser

Werden die Moselwindräder zur Beute des Schwarzstorchs? Der seltene Vogel brütet in der Nähe der geplanten Anlagen. Foto: dpa/Montage Birgit Keiser

Foto: Martina Berg

Schweich/Riol/Mehring. Der Rathaussaal in Schweich, das wusste die Verwaltung, würde dem zu erwartenden Besucherandrang nicht standhalten. Deshalb wird die nächste Sitzung des Verbandsgemeinderats Schweich mit dem Punkt "Änderung des Flächennutzungsplans Windkraft" am Dienstag, 23. Juni, ab 16 Uhr einige Hundert Meter weiter im großen Bürgersaal stattfinden. Die Gegner der umstrittenen 200 Meter hohen Moselwindräder, die im Windpark Mehring II nahe der Autobahn geplant sind, machen bereits mobil. Der Verein Feller Gegenwind bietet einen kostenlosen Bustransfer von Fell nach Schweich und zurück an. Die Interessengemeinschaften (IG) Rioler Bürger und Windkraft Mehring rufen zur Bildung von Fahrgemeinschaften auf.Ausschlusskriterien festgelegt


Ausgangslage vor der Sitzung ist, dass der Investorenverbund Juwi/Stadtwerke Trier neun Windräder oberhalb von Mehring und Riol bauen will (der TV berichtete). Weitere Anlagen sind in Leiwen, Detzem, Longuich, Trittenheim und Klüsserath geplant.
Wie andere Verbandsgemeinden auch, muss die VG Schweich einen Flächennutzungsplan aufstellen, um die rechtlichen Rahmenbedingungen für Windkraftstandorte abzustecken. Darin soll einerseits der energiepolitischen Vorgabe der Landesregierung zum Ausbau der erneuerbaren Energien Rechnung getragen werden, andererseits sollen sich darin Ausschlusskriterien für die Windkraft wiederfinden. In einer Sitzung im Juli 2014 hatte der VG-Rat schon einmal Kriterien festgelegt, unter anderem einen Mindestabstand von etwas mehr als 1000 Metern zu bewohnten Gebieten. Weiterhin waren Schutzzonen für Natur und Umwelt berücksichtigt worden. Am Ende blieben noch etwa sechs Prozent der VG-Fläche als mögliche Vorrangfläche für Windkraft übrig.
Der vom Rat mehrheitlich beschlossene Kriterienkatalog wurde einen Monat öffentlich ausgelegt. In dieser Zeit brachten Bürger und Behörden etwa 600 (!) Anregungen und Bedenken vor. Diese hat die Verwaltung mit Hilfe von Fachleuten und einem Juristen begutachtet und bewertet. Das Ergebnis wird nun in der Sitzung am kommenden Dienstag vorgestellt.
Nicht jede einzelne Stellungnahme werde behandelt, kündigt Büroleiter Wolfgang Deutsch an. Die Anregungen würden blockweise und nach Inhalten sortiert vom Büro Jestaedt & Partner erläutert. Damit sich die Besucher ein besseres Bild machen können, sollen Visualisierungen der geplanten Windräder gezeigt werden. Bürgermeisterin Christiane Horsch hatte bereits angekündigt, dass es zu einer erneuten Offenlegung kommen werde. Falls der VG-Rat Änderungen beschließen sollte, werden diese in die Pläne eingearbeitet.
Die erneute Offenlegung hat rechtliche Gründe. Denn an der ersten Abstimmung hatten Ortsbürgermeister teilgenommen, die dem Rat angehören und selbst Windkraftverträge abgeschlossen haben. Das hätten sie nicht dürfen; sie gelten als befangen, weil ihr Ort ja durch den Abschluss finanzielle Vorteile hat.
Zur Sprache kommen wird in der Sitzung auch die Grenze der Lahikula (landesweit bedeutsame historische Kulturlandschaften). Gegner der Moselwindräder sprechen von einer willkürlichen Grenzziehung, die viel zu nah an der Mosel verlaufe und einer Verschandelung der Kulturlandschaft Tür und Tor öffne. Inzwischen hat die Regionale Planungsgemeinschaft bestätigt, dass die vom Land beauftragte Überprüfung der Lahikula im Bereich der A 1 bei Riol keine Beanstandungen ergeben habe. Die Grenzziehung sei korrekt. Unklar ist unterdessen noch, inwieweit die Moselschutzverordnung dort den Bau von Windrädern aushebeln könnte.
Ein Trumpf im Ärmel der Windkraftgegner ist das Helgoländer Papier (siehe Extra), das die Umweltminister der Länder anerkannt haben. Es regelt die empfohlenen Mindestabstände von Windrädern zu sensiblen Vogelvorkommen wie Rotmilanen und Schwarzstörchen. Nach Berücksichtigung der neuen Abstandregeln würden auf der Grundlage des von der VG Schweich herangezogenen avifaunistischen Gutachtens acht der neun vorgesehenen Windräder oberhalb von Riol und Mehring wegfallen. Die IG Riol hat den Fachbehörden kürzlich eine Übersichtskarte mit GPS-Daten und Fotos der gefundenen Horste zukommen lassen. Aufgeführt sind auch besetzte Horste geschützter Vögel, die noch nicht im Gutachten des Büros Sieberts von 2013 berücksichtigt wurden. Für die Gegenwindler aus Fell zeigt sich jetzt, "ob die Verantwortlichen diese Kriterien ernst nehmen oder ob wieder Wege gesucht werden, anerkannte Grenzen zum Schutz von Arten und Natur auszuhebeln".Extra

Das "Neue Helgoländer Papier" ist eine aktualisierte Fassung des Helgoländer Papiers aus dem Jahr 2007. Erarbeitet wurde es von den staatlichen Vogelschutzwarten als Empfehlung für Mindestabstände zu brütenden, rastenden und ziehenden Vögeln bei der Errichtung von Windkraftanlagen. Die Innenminister der Länder haben das Papier anerkannt. Somit ist davon auszugehen, dass die Empfehlungen auch in Gerichtsverfahren als maßgebliche fachliche Orientierung herangezogen werden. Der empfohlene Abstand eines Rotmilan-Nestes beträgt statt 1000 Meter künftig 1500 Meter. Wird ein Schwarzstorch-Horst gefunden, müssen Windräder mindestens drei Kilometer davon entfernt sein. Beim vom Aussterben bedrohten Schreiadler muss der Schutzabstand sogar sechs Kilometer betragen. alf

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