Klagewelle droht

TRIER. Das Verwaltungsgericht Trier hat entschieden: Eine chinesische Familie darf aus der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige ausziehen. Die Kreisverwaltung legt gegen das Urteil beim Oberverwaltungsgericht (OVG) in Koblenz Berufung ein.

Drei Jahre und rund vier Monate hat die vierköpfige chinesischeFamilie in der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige verbracht.Zuerst in Ingelheim, seit Februar in Trier. Die beiden Kinderkamen in dem Zentrum in Ingelheim zur Welt. Am vergangenenDienstag haben Mitarbeiter der Verbandsgemeinde Saarburg aufAnordnung der Kreisverwaltung die Familie aus dem"Ausreisezentrum" in der Dasbachstraße abgeholt und nach Saarburggefahren. Die Familie hat dort eine Wohnung bezogen. Den Auszughatte das Verwaltungsgericht Trier ermöglicht. Es hatte amMittwoch entschieden, die Unterbringung der Familie habe durchdie Länge des Aufenthaltes den Charakter einer Strafe. Das Wohnenin der Landesunterkunft dürfe keine "Schikane oder strafähnlicheMaßnahme" sein, meinten die Richter. Der Status der Chinesen: Sie sind weiterhin abgelehnte Asylbewerber - "und sind weiterhin zur Ausreise verpflichtet", betont Hermann Josef Braum, Leiter der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige in Trier.

"Schade, dass es erst jetzt so ein Urteil gibt. Die Begründung ist nachvollziehbar und gerecht", sagte Maria Duran-Cremer, Vorsitzende der Trierer Ausländerbehörde. "Wir hoffen, dass die Landesregierung endlich begreift, dass sie mit ihren Vorstellungen gescheitert ist. Die meisten Flüchtlinge im Ausreisezentrum leben dort schon sehr lange", sagt Corinna Rüffer, Kreisvorstandssprecherin von Bündnis 90 / Die Grünen Trier-Saarburg. "Wir gehen davon aus, dass auch sie in den nächsten Monaten mit Klagen vor dem Verwaltungsgericht Erfolg haben werden."

Braum hingegen sieht durch das Trierer Urteil den Bestand der Unterkunft nicht gefährdet. Und eine Klagewelle erwartet er auch nicht - zunächst nicht, jedenfalls. "Das Gericht hat ausdrücklich die Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht zugelassen." Und Braum geht davon aus, dass dort das Trierer Urteil aufgehoben wird. Außerdem belaufe sich die durchschnittliche Länge der Aufenthalte auf ein Jahr und einen Monat. "Drei Jahre Aufenthalt ist der absolute Spitzenwert." Weitere Klagen gebe es seines Wissens derzeit nicht.

Die Kreisverwaltung Trier-Saarburg, die zuständige Ausländerbehörde, sieht das Urteil ebenfalls auf wackligem Boden. Sie wird nach Auskunft ihres Sprechers Thomas Müller in den nächsten Tagen vor dem OVG Berufung einlegen.

Ihre Begründung: Das Trierer Urteil gehe von unzutreffenden Voraussetzungen aus. Es beziehe sich zwar auf eine Entscheidung des OVG Koblenz, doch lasse es außer Acht, dass sich dieser Fall von dem der chinesischen Familie grundsätzlich unterscheide. Das Urteil des OVG erlaubte einem Iraner, die Landesunterkunft zu verlassen, weil der Iran ihn nicht einreisen lassen wollte, weil er dies nicht freiwillig tue. Seine Identität war bekannt. Die chinesische Familie sei im "Ausreisezentrum" untergebracht worden, weil sich ihre Identität nicht klären ließ.

Sollte die Berufung erfolglos sein, rechnet Braum mit mehr Bewohner-Klagen. "Bewohner würden womöglich drei Jahre warten und dann gegen ihre Unterbringung klagen."

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