Klappe zur Klassenfahrt

TRIER. Eine Szene, die nicht im Drehbuch steht, ein Altersdurchschnitt um die 18, und Komparsen, die zum Drehtermin nicht erscheinen: Was die "Jagprofilma Nord" zu stemmen hat, klingt abenteuerlich. Doch mit ihrer mittlerweile sechsten Produktion sind Pierre Hellbusch und seine Mitstreiter beinahe schon alte Hasen im Filmgeschäft.

So edel sehen Klassenfahrten heutzutage aus - zumindest beim Film. Der bronzefarbene Reisebus steht im Schatten der Porta Nigra, der Fahrer hat den feinen Zwirn angelegt, natürlich mit Firmenlogo auf der Krawatte. "Klar, die freuen sich ja, wenn sie Werbung machen können", grinst Pierre Hellbusch. Der Produzent kennt das Geschäft. Seit sechs Jahren arbeitet er in der Branche, jedes Jahr steht ein neuer Film an. Trier als Drehort wählte Hellbusch, nachdem er in einer Münchener Castingagentur den Konzer Florian getroffen hatte. Die beiden freundeten sich an. Bei seinem Besuch an der Mosel ist der Delmenhorster Jugendfilmer begeistert. Nach Hellbuschs Vorstellungen strickte Malte Christoph einen Plot rund um ein Hamburger Geschwisterpaar, das zusammen mit einer an der Alster auf Klassenfahrt befindlichen Trierer Schulklasse einen Mord aufklärt. 90 Minuten soll der Kinderkrimi dauern, dafür muss eine Menge Rohmaterial gedreht werden. "Wir brauchen vom Casting bis zur Filmvorführung ein Jahr", erklärt Hellbusch. Routiniert bewegt er sich auf dem von der Polizei abgesperrten Drehort vor Triers Wahrzeichen, weist die Komparsen ein, hantiert dabei mit dem Megafon, dirigiert Assistenten und erklärt dem Mädchen mit der großen Klappe, was sie zu tun hat. Franziska ist fasziniert. Nachdem sie zweimal beim Casting nicht weitergekommen ist, darf sie nun als Produktionsassistentin Set-Luft schnuppern. Dank ihrer Hartnäckigkeit schafft sie es schließlich doch noch vor die Kamera. "Okay, du kannst bei der Verabschiedungsszene mitlaufen. Erst machst du die Klappe, dann gibst du sie mir und läufst hinter dem Bus zu den andren", erfüllt ihr Hellbusch ihren Herzenswunsch. Franziska strahlt und flitzt los. Die anderen trotten zunächst recht steif zum Bus, mit zunehmender Wiederholung der Sequenz werden sie sichtlich lockerer. Die Klassenfahrt-Abschiedsszene wird authentisch - wenn man vom noblen Reisebus einmal absieht. "Super", freut sich Hellbusch, mit einem Auge an der Kamera, "die laufen genau an der Bildkante entlang."Jugendliche lernen Teamarbeit

Angeführt wird die Meute von einer Frau, auf die der Produzent besonders stolz ist: "Minerva ist eigentlich Model, wir haben sie bei einem Casting vor einem Jahr entdeckt." Dass sie auch die Catwalks der Welt kennt, verrät ihre topmoderne Kleidung. Die Baseballkappe mit dem New-York-Schriftzug verrät, wo sie noch vor wenigen Tagen war: "Ich bin gerade zurück nach Deutschland geflogen", erzählt sie. Eine kürzere aber bestimmt nicht weniger aufregende Anreise hat das Team aus dem Norden auf sich genommen. Alles für einen halben Drehtag in Trier. Um die Produktionskosten nicht in die Höhe zu schrauben, werden die übrigen Szenen des noch titellosen Films in Hamburg gedreht. Dass die Laienschauspieler so jung sind, ist für Hellbusch, der ein Studium im Bereich Tourismus/Pädagogik anstrebt, eine besondere Herausforderung: "Wir machen immer eine Filmfahrt mit den Schauspielern, auf der sie eine Menge lernen - nicht nur über das Filmgeschäft, sondern auch, wie wertvoll es ist, Teamarbeit zu erlernen und zu leben." Dass eine einzige Szene schon zusammenschweißt, zeigt sich vor der Porta - spätestens als sich die Eltern-Kinder-Gruppe zum zehnten Mal vor dem Bus postiert, haben sich bis dato fremde Erwachsene und deren Alibi-Sprösslinge angefreundet. "Macht es gut und kommt heil wieder nach Hause!", schallt es aus den Mündern, hier und da fällt man sich sogar in die Arme. Noch einige Male fällt die Klappe für die Szene - die übrigens gar nicht im Drehbuch steht - bis es heißt: "Supergut - alles im Kasten!"

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