Klares Votum: Integrierte Gesamtschule - Mit gutem Gefühl in die Ferien

Die Würfel sind gefallen. Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen hat gestern die Entscheidung für 50 Realschulen plus und 17 Integrierte Gesamtschulen im Land getroffen. Auch Trier hat einen Zuschlag für beide Schulformen erhalten. Ohne dokumentiertes Eltern-Interesse kein Zuschlag für die Integrierte Gesamtschule (IGS). In Trier ergab die Befragung der Eltern von 1600 Zweit- und Drittklässlern, dass sich um die notwendigen Schülerzahlen für eine IGS niemand Gedanken machen muss.

Trier/Mainz. Die Cusanus-Hauptschule und die Ludwig-Simon-Realschule auf dem Wolfsberg haben den Zuschlag erhalten. Sie dürfen ab dem Schuljahr 2010/11 Integrierte Gesamtschule (IGS) werden. Josef Linden, Leiter der Ludwig-Simon-Realschule, erfährt die Neuigkeit vom TV: "Wir haben eine ganze Menge Arbeit im Vorhinein geleistet. Jetzt können wir mit einem tollen Gefühl in die Ferien gehen." Seine IGS wolle sich durch die Einbeziehung aller Kinder und den intensiven Kontakt mit Grundschulen von anderen IGSen abheben. Das bedeute, niemanden auszusortieren, unabhängig von sozialen, geistigen oder körperlichen Handicaps. Von den Grundschulen könne die IGS nur lernen, da sie jetzt schon den integrativen Gedanken leben und dort alle Kinder zusammen lernen.

Der nächste Schritt sei nun die Zusammenstellung der Arbeitsgruppe, die in einjähriger Planungsphase das detaillierte Konzept zu Didaktik, Methodik und inhaltlichen Schwerpunkten erarbeiten wird. Ein Knackpunkt: die Finanzierung. "Die Stadt muss jetzt die baulichen und ausstattungstechnischen Voraussetzungen für die IGS schaffen", klärt Linden auf. Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink, erklärt: "Wir müssen jetzt sehen, wie wir die finanzielle Realisierung schnell auf den Weg bringen. Durch die Arbeit der Planungsgruppe wird sich das Projekt inhaltlich und finanziell entwickeln." Woher genau der zweistellige Millionenbetrag kommen wird, der für Ausstattung und Ausbau notwendig ist, und wer was zusteuern wird, kann er zurzeit noch nicht sagen. "Wir arbeiten aber mit Hochdruck an der Realisierung." Hildegard Muriel von der Initiative "Eine Schule für alle" ist nicht überrascht über die Entscheidung. "Wir hoffen nun, bei der Ausarbeitung des Konzepts mit einbezogen zu werden." Die erste Realschule plus entsteht bei Pestalozzi-Hauptschule und Robert-Schumann-Realschule. Für Markus Lehnert, Schulleiter der Pestalozzi-Hauptschule, keine Überraschung. Für ihn ist klar: "Die Entscheidung, die Hauptschulen aufzulösen, ist konsequent richtig."

Vor Stadt und Schulen liegt jedoch noch jede Menge Arbeit. Der TV wird diese Entwicklung in den nächsten Monaten begleiten. Trier. (DiL) Schon eine privat organisierte Umfrage der Initiative "Eine Schule für alle" hatte hohes Interesse vermuten lassen. Jetzt ist es auch "offiziell". 1600 Fragebögen gingen an jene Grundschüler-Jahrgänge in Trier heraus, die 2010 und 2011 die ersten beiden IGS-Klassen füllen sollen. 52 Prozent kamen zurück, und jeweils mehr als 100 Eltern kündigten an, ihren Sohn oder ihre Tochter in der IGS anmelden zu wollen. Das Statistik-Amt der Stadt erwartet aufgrund vergleichbarer Befragungen, dass die Zahl der Anmeldungen "ungefähr doppelt so hoch" sein wird. Das würde jeweils um die 200 Anmeldungen pro Jahrgang bedeuten. Bei einer IGS mit vier Parallel-Klassen ("Vierzügig") könnte nur die Hälfte der Interessenten aufgenommen werden.

Der Standort Wolfsberg trifft mit fast 80 Prozent auf eine recht hohe Akzeptanz. Interessant ist, dass die befragten Eltern als wichtigste Erwartung an die neue Schule weniger die spezifischen pädagogischen Eigenschaften einer Gesamtschule formulieren als eine gute Ausstattung. Die Region um Trier war bislang die einzige in Rheinland-Pfalz ohne Gesamtschul-Angebot. Es hatte zwar immer wieder Initiativen gegeben, aber die Stadt als Schulträger stellte nie einen entsprechenden Antrag. Vor dem Hintergrund der ohnehin anstehenden Umstrukturierung der Schullandschaft durch die "Realschule plus" und der gewandelten bildungspolitischen Großwetterlage beschloss der Stadtrat Anfang des Jahres mit breiter Mehrheit, eine IGS in Trier einzurichten.

Unter drei möglichen Standorten fiel die Entscheidung für den Wolfsberg und damit zunächst gegen das Schulzentrum am Mäusheckerweg und das ehemalige TGT in Trier-Süd. Im Stadtrat wurde unisono auf die Möglichkeit hingewiesen, bei entsprechender Nachfrage eine weitere IGS einzurichten. Dafür wäre aber die Zustimmung des Landes erforderlich.

Die Einführung einer IGS erfolgt "schleichend", will heißen: Alle Schüler, die auf der Haupt- und der Realschule am Wolfsberg eingeschult sind, machen diese Schulform ganz normal zu Ende. Mit dem Schuljahr 2010/11 nimmt der erste Jahrgang von Gesamtschülern den Unterricht auf. Bis alle Jahrgänge inklusive der gewünschten gymnasialen Oberstufe eingerichtet sind, schreiben wir das Jahr 2019.

Nach dem vorliegenden Konzept soll die IGS als Ganztagsschule eingerichtet werden, eine wichtige Rolle spielen neue Unterrichtsformen. Alle Klassen eines Jahrgangs gehören danach einer Großgruppe an, die von einem Lehrer-Team betreut wird. Es gibt nicht nur Klassenzimmer, sondern auch "Team-Räume".

Offen sind noch andere konzeptionelle Fragen. So streben die Initiatoren die Integration einer Grundschule an, um gemeinsames Lernen schon von der ersten Klasse an zu ermöglichen. Von vielen Seiten wird gefordert, die neue Schule "inklusiv" auszurichten, was bedeutet, sie auch für Schüler mit Behinderungen zu öffnen.

Das Kollegium für die künftige IGS wird neu zusammengestellt, wobei die vorhandenen Lehrer an der Haupt- und der Realschule erfahrungsgemäß mit Berücksichtigung rechnen können, wenn sie sich für die neue Schulform entscheiden. Auch hier dauert der Übergang bis zum End-"Ausbau" etwa ein Jahrzehnt.

Für die pädagogische Seite ist die ADD zuständig. Die neue Schule erfordert aber auch vielfältige Um- und Ausbauten, die in den Verantwortungsbereich der Stadt fallen. Der Stadtrat hat grünes Licht gegeben, aber wo die erforderliche zweistellige Millionensumme herkommen soll, weiß noch niemand. (DiL)

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