Kleine Gesten mit großer Wirkung

Trier · Ungewöhnliches Zusammenspiel in der Residenz am Zuckerberg: Schüler der Kurfürst-Balduin-Schule laden die Senioren dort regelmäßig zum Kegeln ein. Eine Idee, von der Jung und Alt gleichermaßen profitieren.

 Beim Seniorenkegeln kommt bei Jung und Alt Spannung auf. Auf dem Bild (von links): Justine Brison, Natascha Greif, Anna Spang, Anneliese Bedessem, Ariane Mohr, Dennis Atzorn. TV-Foto: Julian Ermert

Beim Seniorenkegeln kommt bei Jung und Alt Spannung auf. Auf dem Bild (von links): Justine Brison, Natascha Greif, Anna Spang, Anneliese Bedessem, Ariane Mohr, Dennis Atzorn. TV-Foto: Julian Ermert

Trier. August Kehler geht leicht in die Knie. Er holt aus - klock! Acht Kegel liegen am Boden. Ein Volltreffer. Anna Spang neben ihm jubelt. "Das war aber ein klasse Wurf", sagt sie und greift August Kehler unter die Arme. Die beiden sind ein eingespieltes Team. Dabei könnte der Unterschied zwischen ihnen nicht größer sein: August Kehler - fast 100 Jahre alt. Anna Spang - 14.
Doch beim Seniorenkegeln ist das egal. Regelmäßig kommen fünf Schüler der Kurfürst-Balduin-Schule vormittags in die Residenz am Zuckerberg, um gemeinsam mit den Senioren zu kegeln. Dann übernehmen die Schüler der achten und neunten Klassen die Organisation: Drei holen die Senioren auf ihren Zimmern ab, während der Rest im dritten Stock die Kegelbahn aufbaut. Denn gekegelt wird im Flur, mit Holzkegeln auf einem Stück Kunstrasen. "Die Schüler fühlen sich hier wohl", sagt Hans-Karl Kebig, Lehrer an der integrativen Kurfürst-Balduin-Schule. Das war nicht immer so: Anfangs seien sie zurückhaltend gewesen und hatten Berührungsängste. Doch mittlerweile sei das kein Problem mehr, sagt Kebig. Der Förderschullehrer hat das Projekt vor zwei Jahren gestartet. "Wir wollen den Schülern damit andere Lebenswelten zeigen", erklärt der 56-Jährige.
Behutsam rollt Schüler Dennis Atzorn die Seniorin Maria Schneider in ihrem Rollstuhl zur Kegelbahn. Kaum angekommen, holt sie aus. Klock! Acht Punkte. "Heute läuft\'s aber richtig gut", sagt Dennis und rollt sie zurück an ihren Platz. Maria Schneider strahlt und haucht ein Dankeschön.
Ein flüchtiger Augenblick, von dem Alt und Jung profitieren: Die Senioren vergessen beim Kegeln den Alltag, während die Schüler sich selbst entdecken. "Viele Schüler zeigen hier verborgene Talente", erklärt Kebig: Eigenschaften wie Einfühlungsvermögen, Hilfsbereitschaft, Kooperation. Die Schüler schnuppern hier aber auch in das Berufsfeld Altenpflege rein. Und so mancher lässt sich davon begeistern: "Ich war ein paar Mal dabei und beeindruckt. Jetzt mache ich hier ein Praktikum", sagt Anna Spang.
Zwei Stunden sind vorbei. Jetzt ist Pause, und die Schüler verteilen Getränke an die rund 20 Senioren. "Ich finde es wirklich toll, dass die Jugendlichen das hier machen", sagt die 84-jährige Angelika Mehling, während der 13-jährige Emre Cenikli ihr einschenkt. Auch Sozialbetreuerin Ariane Mohr ist zufrieden: "Wir sind ein richtig eingespieltes Team mittlerweile."
Zum Schluss wird\'s richtig spannend. Ein Stechen, denn drei Kegler haben die gleiche Punktzahl. Die letzte Werferin ist Anneliese Bedessem. Sie wirft. Klock! Alle neun Kegel liegen. Das heißt Tagessieg, und die Schüler überreichen den Wanderpokal. Die 92-Jährige ist glücklich. Am Ende des ungewöhnlichen Kegelvormittags steht eines fest: Auch kleine Gesten haben große Wirkung. Für Jung und Alt.

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