Kleingärtner haben keine Angst vor Bodengift - Spitzmühle: Kontaminierte Erde laut Stadtverwaltung ungefährlich für Anlieger

Trier · Das Erdreich auf dem Areal Spitzmühle in Trier ist so stark kontaminiert, dass das Gelände nicht ohne Weiteres bebaut werden darf. Für die benachbarten Kleingärten stellen die Gifte laut Stadtverwaltung allerdings keine Gefahr dar.

 Der Parkplatz an der Spitzmühle ist nach wie vor gesperrt. Das dort abgelagerte Erdreich ist mit Schadstoffen kontaminiert. TV-Foto: Friedemann Vetter

Der Parkplatz an der Spitzmühle ist nach wie vor gesperrt. Das dort abgelagerte Erdreich ist mit Schadstoffen kontaminiert. TV-Foto: Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)

Trier. Die Kleingärten zwischen Spitzmühle und Olewiger Bach sind verwaist an diesem trüben und wieder mal regnerischen Nachmittag. In einigen akribisch von Wildkräutern befreiten Beeten sprießen Salatpflanzen, ordentlich in Reih' und Glied. In anderen wuchern blaue Glockenblumen und lila Frauenschuh wild-romantisch durcheinander.
Seit Jahresanfang haben es die Kleingärtner der Anlage schwer: Wegen Grabungen auf dem vorgelagerten Gelände Spitzmühle ist der vereinseigene Parkplatz nicht erreichbar. Nicht nur, dass die 30 Stellplätze nicht als Parkfläche genutzt werden können, ärgert die Anlieger. "Normalerweise haben wir im Frühjahr immer Bäume und Sträucher im großen Stil zurückgeschnitten, auf dem Parkplatz geschreddert und von dort abtransportiert. Dieses Jahr war das nicht möglich", sagt Udo Schöneberger, neuer Vorsitzender des Kleingärtnervereins.
Die Spitzmühle war lange Jahre für den Neubau der Trierer Hauptfeuerwache vorgesehen. Weil im Boden allerdings Schadstoffe gefunden worden waren, rückte die Stadt vorige Woche von diesem Vorhaben ab. Die Feuerwache soll nun auf dem nahegelegenen Areal des ehemaligen Polizeipräsidiums entstehen (der TV berichtete). Fünf Jahre lang mussten die Kleingärtner bangen. "So lange stand die Spitzmühle zur Disposition für die Feuerwache - rund 25 Kleingärten hätten dieser weichen müssen", sagt Schöneberger. Der Frust sei groß gewesen. "Richtig viel Lust, in den Gärten zu arbeiten oder in diese zu investieren, hatten die Betroffenen nicht."
Der Jubel sei deswegen groß gewesen, als das Nein von Stadt und Feuerwehr zur Spitzmühle feststand. "Jetzt muss uns nur noch wieder die Zufahrt zu unseren Parkplätzen gewährt werden - und das so schnell wie möglich, damit auch unsere älteren Gärtner wieder bequem ihre Parzellen erreichen können"", fordert Kleingärtnerchef Schöneberger.
Wann das so weit sein wird, ist noch offen. Ebenso die Frage, wann die Spitzmühle selbst wieder als Parkfläche zur Verfügung steht. "Das lässt sich derzeit nicht mit Bestimmtheit beantworten", erklärt Rathaus-Pressesprecher Ralf Frühauf auf TV-Nachfrage.
Zunächst müssen die 13 Grabelöcher, aus denen Erdproben entnommen wurden für die Untersuchung nach Giftstoffen, wieder zugeschüttet und die Asphaltoberfläche hergestellt werden.
Die gefundenen Schadstoffe sollen dabei im Boden bleiben, ein Austausch der kontaminierten Erdmassen ist nicht vorgesehen. Von den Giften gehe - sofern das Gelände nicht anders genutzt werde als bisher - keine Gefahr aus (siehe Extra).
"Wir haben keine Angst", sagt Kleingärtner Schöneberger, selbst gelernter Chemiker. "Die gefundenen Schadstoffe liegen viel tiefer im Boden, als unser Salat wurzelt. Und in all den Jahren ist hier auch noch nichts Auffälliges passiert - im Gegenteil, viele unserer Gärtner sind uralt."Extra

An 13 Stellen auf dem Areal Spitzmühle hat ein von der Stadt beauftragtes Ingenieurbüro Erdproben entnommen. Bei den gefundenen Giftstoffen handelt es sich laut städtischem Presseamt um "Produktionsrückstände (Schlämme), die sich in den ehemaligen Lohegruben abgesetzt haben". Die Gruben gehörten zu einer Leder-Gerberei, die auf der Spitzmühle vom späten 19. Jahrhundert bis etwa 1960 ihren Produktionssitz hatte. Die Erdproben sind vom Robert-Koch-Institut in Berlin auf Milzbrandsporen untersucht worden. "Es konnten keine Sporen des Milzbranderregers nachgewiesen werden", erklärt Rathaus-Sprecher Frühauf. Die Untersuchung habe allerdings "erhöhte Gehalte an organischen Bestandteilen ergeben". Außerdem seien Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) gefunden worden. PAK sind nicht wasserlöslich, zahlreiche PAK gelten allerdings als krebserregend. Auch Cyanide (Salze und andere Verbindungen der Blausäure) und Sulfate (Salze der Schwefelsäure) seien in den Proben ausgemacht worden. Die Proben seien in unterschiedlichen Tiefen genommen worden. Laut der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, der zuständigen Aufsichtsbehörde für den Bodenschutz, bestehe kein "weiterer Untersuchungsbedarf" und auch nicht die Notwendigkeit, die belasteten Erdmassen zu entsorgen - sofern das Gelände weiter als Parkplatz genutzt werde und auch keine Eingriffe in den Untergrund vorgenommen würden. Laut des beauftragten Ingenieurbüros, dem Grundbaulabor Trier, "ist nicht davon auszugehen, dass ein Eintrag von Schadstoffen in das Grundwasser erfolgt ist, da der Grundwasserspiegel tief liegt". Ob Giftstoffe bis ins Erdreich der Kleingärten vorgedrungen sind, wurde daher auch nicht untersucht. woc

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort