Klima lässt "Eisheilige" schmelzen

"Pflanze nie vor der Kalten Sophie" heißt es im Volksmund. Die meisten Garten- und Balkonbesitzer warten die "Eisheiligen" Mitte Mai ab, bevor sie in die grüne Saison starten - unnötigerweise, sagt Professor Günther Heinemann, Klimatologe an der Uni Trier.

 Marlene Kreid aus Trier sucht nach den passenden Geranien für ihre Terrasse. Im kommenden Jahr kann sie damit schon Ende April beginnen; die „Eisheiligen“ sind seit 15 Jahren für Trier nicht mehr nachweisbar. TV-Foto: Claudia Neumann

Marlene Kreid aus Trier sucht nach den passenden Geranien für ihre Terrasse. Im kommenden Jahr kann sie damit schon Ende April beginnen; die „Eisheiligen“ sind seit 15 Jahren für Trier nicht mehr nachweisbar. TV-Foto: Claudia Neumann

Trier. Pankratius - 11. Mai, Servatius - 12. Mai, Bonifatius - 14. Mai und Sophie - 15. Mai: Die Namenstage dieser Heiligen sind im Volksglauben verbunden mit einem Kälteeinbruch, der zu früh Ausgepflanztes erfrieren lässt. Die Richtlinie der "Eisheiligen" beruht auf jahrhundertelangen Beobachtungen."Generell ist an diesen Wetterregeln etwas dran", sagt Professor Günther Heinemann vom Fachbereich Klimatologie der Universität Trier, auch wenn sie nicht auf ein exaktes Datum bezogen werden könnten. Die "Eisheiligen" seien verknüpft mit einer typischen Winterwetterlage, die mit arktischer Luft aus dem Norden für Kühle im Mai sorge.

Die Warnung vor der "Kalten Sophie" barg teilweise noch im 20. Jahrhundert eine reales Risiko. Heinemann verweist auf eine Jahresanalyse der jährlichen Frosttage für Trier. In den Jahren 1951 bis 1966 verzeichneten die Meteorologen durchschnittlich 0,4 Maitage mit Temperaturen unter null Grad Celsius - also insgesamt sechs Tage in 15 Jahren. Für den Zeitraum 1991 bis 2006 ist dieser Wert auf 0,0 gesunken: Seit den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts war Trier ab Ende April also stets eine frostfreie Zone.

"Die generelle Erwärmung der letzten 15 bis 20 Jahre betrug im Mittel ein Grad Celsius", rechnet Heinemann vor. Mit dem Mittelwert haben sich auch die Temperaturextreme, also Kälte und Wärme, verschoben. "Die Anzahl der Frosttage ist um ein Drittel zurückgegangen, die Hitzetage nehmen überproportional zu", ergänzt der Klimatologe. Dazu zähle auch der ungewöhnlich warme April 2007. "Der Klimawandel hat nachweisbar eingesetzt, die Verschiebungen sind auch für Trier belegt." Auch Diplom-Geograf Jürgen Junk, der aktuell an einer Dissertation zum Trierer Stadtklima arbeitet, hält die "Eisheiligen" für passé - zumindest was die Moselstadt betrifft. In den nächsten einhundert Jahren rechnen die Experten mit einer weiteren Erwärmung um zwei bis vier Grad Celsius. Damit werden auch an der Mosel die Hitzeperioden zunehmen, normale Winter seltener. "Treibhausgase bleiben rund 500 Jahre in der Atmosphäre", sagt Heinemann, "was in den nächsten 20 Jahren dazukommt, entscheidet über die Auswirkungen des Klimawandels." Für Gartenfreunde bedeuten seine Prognosen: Blütenpracht ab Ende April ist keine Frage der Temperatur mehr, sondern eine Frage des Fleißes. Denn in Zukunft zählt vor allem eines: gießen, gießen, gießen.

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