Klinik lässt grausame Eingriffe in der Nazizeit erforschen

Trier · Wie viele Menschen wurden in der NS-Zeit im Evangelischen Elisabeth-Krankenhaus zwangsweise unfruchtbar gemacht? Der Mainzer Forscher Markus Würz hat nach Quellen gesucht. Das Ergebnis: Mindestens 670 Frauen wurden im Elisabeth-Krankenhaus zwangssterilisiert. Auch Kliniken in Saarburg, Wittlich und Baumholder nahmen die grausamen Eingriffe vor.

 Der Mainzer Forscher Markus Würz (rechts) und Rainer Kropp, Geschäftsführer des Ökumenischen Verbundkrankenhauses Trier, halten den Bericht zu Zwangssterilisierungen am Evangelischen Elisabeth-Krankenhaus in der Hand. TV-Foto: Katja Bernardy

Der Mainzer Forscher Markus Würz (rechts) und Rainer Kropp, Geschäftsführer des Ökumenischen Verbundkrankenhauses Trier, halten den Bericht zu Zwangssterilisierungen am Evangelischen Elisabeth-Krankenhaus in der Hand. TV-Foto: Katja Bernardy

Trier. Bevor Markus Würz, Mitarbeiter des Historischen Seminars Zeitgeschichte an der Johannes- Gutenberg-Universität in Mainz, gestern Mittag seinen Bericht vorlegte, ergriff Rainer Kropp das Wort. Er ist Geschäftsführer des Ökumenischen Verbundkrankenhauses Trier, zu dem heute das Elisabeth-Krankenhaus gehört. Kropp drückte sein Bedauern aus über die Zwangssterilisierungen, die zwischen den Jahren 1934 und 1944 am Evangelischen Elisabeth-Krankenhaus vorgenommen wurden. Das Krankenhaus lebe vom Vertrauen der Patienten und deshalb wolle man sich als Institution mit der eigenen Geschichte befassen, sagte Geschäftsführer Kropp.
Der Trierer Historiker Thomas Schnitzler, der sich seit einigen Jahren mit dem Thema Zwangssterilisierungen im Kreis Trier beschäftigt, hatte den sprichwörtlichen Stein ins Rollen gebracht. Auch vor einem persönlichen Hintergrund: Schnitzlers Großvater war Chefarzt des Evangelischen Elisabeth-Krankenhauses und musste 1935 gehen, weil er sich geweigert hatte, Zwangssterilisierungen vorzunehmen. Nach einigen öffentlichen Vorträgen und einem Dokumentarfilm zu dem Thema hatte im September vergangenen Jahres das Trierer Krankenhaus den Mainzer Forscher Würz mit der Prüfung von Quellen beauftragt. Seine Ergebnisse: Aufseiten des Trägers des Krankenhauses, der evangelischen Kirche, gebe es keine Akten mehr. Aber einige staatliche Verwaltungen wie Gesundheitsämter, Stadt- und Landesarchive böten Register.
Gynäkologe ist einzige Quelle


"2220 Sterilisationsopfer lassen sich im Raum Trier rekonstruieren", sagte Würz. Allerdings bleibe die Frage, wo die Sterilisationen durchgeführt worden seien, noch weitestgehend unbeantwortet. Denn neben dem Evangelischen Elisabeth-Krankenhaus haben laut dem Mainzer Forscher im Regierungsbezirk Trier während der Nazizeit auch die Krankenhäuser in Saarburg und Wittlich sowie das städtische Krankenhaus in Baumholder die gerichtlich angeordneten Zwangssterilisierungen vollzogen.
Die momentan noch einzige Orientierung für das Trierer Elisabeth-Krankenhaus bieten die Angaben, die der damals tätige Gynäkologe Herbert Hisgen im Rahmen eines Aufsatzes im Zentralblatt für Gynäkologie gemacht hat. Würz: "Dort nennt er die Zahl von 666 \'eugenischen Sterilisationen\', die an Frauen durchgeführt worden seien." Zahlen für die Eingriffe an Frauen, die nach 1938 erfolgten, sowie für männliche Opfer lägen nicht vor.
Wie geht es weiter? Kropp will die ebenfalls betroffenen Krankenhäuser in Wittlich, Saarburg und Baumholder für ein gemeinsames Aufarbeitungsprojekt gewinnen. Ein Historiker, der seine Doktorarbeit über das Thema "Zwangssterilisierungen im Raum Trier" schreiben will, soll gesucht werden, um das schwere Schicksal von wohl Tausenden von Menschen weiter aufzuklären. Auch Zeitzeugen und der Trierer Historiker Schnitzler sollen für die Mitarbeit gewonnen werden. kat

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