Karl Marx Demonstranten in Trier: Ein Marx, hundert Meinungen

Trier · Kluger Wissenschaftler, Kämpfer für die Unterdrückten oder Verantwortlicher für Massenmord? Demonstranten kämpfen um die Deutungshoheit.

 Die Demonstranten des Marx-Bündnisses rufen „Nieder mit dem Kapitalismus“, während sie gen Hauptmarkt ziehen.

Die Demonstranten des Marx-Bündnisses rufen „Nieder mit dem Kapitalismus“, während sie gen Hauptmarkt ziehen.

Foto: Benedikt Laubert

Chinesische Passanten staunen, die Polizei kommt ins Schwitzen: Drei große Protestaktionen begleiten die Feierlichkeiten zum 200. Geburtstag von Karl Marx.

Rund 500 Demonstranten marschieren mit der Partei die Linke, mit der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und anderen beim Marx-Bündnis vom Viehmarkt zum Simeonstiftplatz. Sie fordern eine intensivere Auseinandersetzung mit Marx‘ Lehren. Etwa 150 Menschen demonstrieren auf dem Viehmarktplatz gegen Rassismus und die AfD. Und etwa 70 AfD-Anfänger fordern bei ihrer Demonstration auf dem Viehmarktplatz, „Marx vom Sockel“ zu holen – die Polizei hatte mit mehr AfD-Demonstranten gerechnet.

Für Chinesen sind die Demos solcher Aktivisten ganz offensichtlich eine völlig neue Erfahrung, zumal staatliche Sicherheitskräfte für einen ordnungsgemäßen Ablauf sorgen und nicht gegen Demonstranten einschreiten. „Keine Probleme. Alles läuft nach Plan und ruhig“,  bestätigt Polizeisprecher Karl-Peter Jochem vom Trierer Präsidium.

Eine offizielle Zahl ist nicht zu erfahren, doch insgesamt dürften wohl rund 500 Polizisten am Marx-Tag in Trier im Einsatz sein. Unterstützt werden die Beamten aus der Region von Kolleginnen und Kollegen aus Nordrhein-Westfalen und dem Saarland. Dass die meisten von ihnen trotz der insgesamt unproblematischen Lage ganz schön ins Schwitzen kommen, liegt an den sommerlichen Temperaturen und der sengenden Sonne, die vom wolkenlosen Himmel auf die schweren dunklen Einsatzmonturen herabbrennt.

„Kaiserwetter war gestern. Bei uns heißt das ab sofort  Karl-Marx-Wetter“, scherzt ein Passant auf dem Hauptmarkt. Weniger begeistert sieht er aus, als  der Trierer AfD-Vormann Michael Frisch ihm ein Flugblatt in die Hand drücken will. Der folgende Wortwechsel ist nicht druckfähig. Frisch gibt  sich demonstrativ unbeeindruckt und gut gelaunt, das Anliegen seiner Partei sei ihm jedoch ernsthaft wichtig: „Wir gedenken mit unserem Schweigemarsch der Opfer des Kommunismus. Sie dürfen nicht vergessen werden.“

Ein Ehepaar, das vor einem Eiscafé sitzt, fühlt sich von Demonstranten jedweder Couleur gestört: „Sonst lassen sich die meisten von denen ja auch nicht in Trier blicken. Aber heute glauben sie, hier Lärm machen zu müssen.“

Die Demonstranten des Marx-Bündnisses haben sich schon eine gute Stunde vor der AfD auf dem Weg zum Simeonstiftplatz gemacht. Unter ihnen Julian Theis von der Linken. Er fordert, dass Marx nur daran gemessen wird, was er wirklich selbst zu verantworten habe. „Er war ein wichtiger Wissenschaftler und hat dazu beigetragen, dass wir verstehen, wie Kapitalismus funktioniert“, sagt er. Gerd Manecke von der DKP will sich für Kommunismus einsetzen und sagt: „Marx war besser als sein Ruf; wir sollten uns einmal ernsthaft mit seiner Lehre auseinandersetzen.“

 „In Trier darf kein Platz für rechte Hetze sein“, fordern die Demonstranten des Bündnisses Trier stellt sich quer.

„In Trier darf kein Platz für rechte Hetze sein“, fordern die Demonstranten des Bündnisses Trier stellt sich quer.

Foto: Benedikt Laubert
 Anhänger der AfD fordern, Marx vom Sockel zu holen, weil Menschen Opfer des Kommunismus geworden sind.

Anhänger der AfD fordern, Marx vom Sockel zu holen, weil Menschen Opfer des Kommunismus geworden sind.

Foto: dpa/Harald Tittel

Die rund 150 Menschen, die zur Kundgebung „Trier stellt sich quer“ auf den Viehmarktplatz gekommen sind, positionieren sich nicht klar für oder gegen Marx. Ihnen ist es wichtig zu zeigen, dass die AfD und rechte Hetze in Trier keinen Platz haben. Esther Kind demonstriert mit und sagt: „Führende Politiker der AfD hetzen regelmäßig gegen Minderheiten, und die Partei distanziert sich nicht davon.“

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