Kolumne Glaube im Alltag Wer ist mein Nächster?

Wer ist mein Nächster?, fragt ein Gesetzeslehrer Jesus im Evangelium, das in der katholischen Kirche an diesem Sonntag gelesen wird (Lk10,25-37). Doch Jesus lässt sich vom Gesetzeslehrer nicht in eine Diskussion darüber verwickeln, wer der Nächste ist und wer nicht.

Vielmehr antwortet er mit der vielen von uns wohl bekannten Geschichte vom „Barmherzigen Samariter“, der von Jerusalem nach Jericho unterwegs war und einem überfallenen und verletzten Mann zu Hilfe kam, während zuvor bereits ein Levit und ein Priester tatenlos an diesem vorbeigelaufen waren.

Am Ende der Geschichte stellt Jesus eine ganz neue Frage. Aus der Frage des Gesetzeslehrers: „Wer ist mein Nächster?“, macht Jesus nun die Frage: „Wer ist dem Verletzten zum Nächsten geworden?“ Diese Frage lässt keine andere Antwort zu als die, die der Gesetzeslehrer gibt: „Der, der barmherzig an ihm gehandelt hat.“ Wir hätten an seiner Stelle nicht anders geantwortet. Doch wie antworten wir heute auf diese Frage? Angesichts der vielen hilfsbedürftigen Menschen nah und fern stellt die Geschichte vom barmherzigen Samariter uns als Gesellschaft, als Kirche, als Einzelne bis heute vor die Entscheidung: Diskutieren wir über die Frage, wer mein Nächster/meine Nächste ist – auf die Gefahr hin, dass der unsere Hilfe benötigende Mensch darüber „auf der Strecke bleibt“ – oder beantworten wir die Frage, wem wir zum Nächsten werden, indem wir helfen? Die Kapitänin Carola Rackete von der „Sea-Watch 3“ hat diese Entscheidung getroffen.

Diplom-Theologe
Markus Leineweber, Trier

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