Trierisch balaawern Ett giet!

Das Wort gien (gehen) ist kein Verb wie jedes andere. Ähnlich wie wir es beim Wort kommen festgestellt haben, wird im Trierer Platt auch beim Wort gien die Partizip-Perfekt-Form ohne die vorgestellte Silbe ge gebildet: „Mir sönn ze Fuß böss nao Klause gaang.“ (Wir sind zu Fuß bis nach Klausen gegangen.) „Ett öss alt maol widder gut gaang!

 Mundartexperte Horst Schmitt.

Mundartexperte Horst Schmitt.

Foto: h_lalu <h_lalu@volksfreund.de>

“ (Es ist wieder einmal gut gegangen!)

Das Imperfekt von gien dagegen wird nicht gebildet. Mit einer einzigen Ausnahme. Dabei geht es aber nicht um das eigentliche Gehen. Diese Ausnahme lautet: „Ett ging!“ Das ist eine Antwort-Floskel, die dann verwandt wird, wenn eine Sache nicht so ganz den Erwartungen entsprochen hat. „Wie waor ett Weeder ömm Urlaub?“ (Wie war das Wetter im Urlaub?) „Ett ging!“ oder „Waore vill Leit komm bei eijerer Demo?“ (Waren viele Leute zu eurer Demo gekommen?) „Ett ging!“

Besonders reich an Überraschendem erweist aber sich unser Wort, wenn es sich mit allerlei kleinen Vorsilben zu ganz neuen Bedeutungen verbindet:

daor-gien (ausreichen): „Eisch gie maol noch flodd e Brud kaafen, mer waas nött, obb ett soss iewer Sonndach daorgiet“ (Ich gehe mal noch schnell ein Brot kaufen, wer weiß, ob es sonst über Sonntag ausreicht.)

bei-gien (schrumpfen): „Datt Koddlädd öss iewert Braoden aawer gud beigaang!“ (Das Kotelett ist während des Bratens sehr geschrumpft.)

bei-gien (herbeikommen): „Wei aawer beigaang! Ett Ääße stiet obb emm Dösch!“ (Jetzt aber herbei! Das Essen steht auf dem Tisch!)

bei-gien (belasten): „Dän Dud vo meim Grußpapp öss mer schwer beigaang.“ (Der Tod meines Großvaters hat mich sehr belastet.)

ao-gien (beginnen): „Waasde, wann ett Kino aogiet?“ (Weißt du, wann die Kinovorstellung beginnt?)

ao-gien (entzünden): „Watt öss loss, datt ett Feijer nött rischdisch aogiet?“ (Warum entzündet sich das Feuer nicht richtig?)

aob-gien (sich lösen): „Datt Haus moss nei gestrisch gänn, de ganz aal Farf öss aobgaang.“ (Das Haus muss frisch gestrichen werden, die ganze Farbe hat sich abgelöst.)

omm-gien (schlecht werden): „Nao em Gediemer waor obb aamaol de Möllsch ommgaang.“ (Nach dem Gewitter war plötzlich die Milch sauer.)

daor-gien (ausreichen): „Giet dän Aamer Farf och fir datt ganz Zimmer daor?“ (Reicht der Eimer Farbe auch für das ganze Zimmer aus?“)

rönn-gien (hineingehen, hineinpassen): „Wänn se all önn de Körsch rönngien, gien se nött all rönn.“ (Wenn alle in die Kirche reingehen, passen nicht alle hinein.)

Zum Abschluss ein echt Trierischer Dialog, knapp und treffend : „Wie giet ett dann?“ „Ett laaft !“ „Wie laaft ett dann?“ „Ett giet!“

Horst Schmitt

Weitere Kolumnen finden Sie im Buch „Platt ist nicht platt“ von Horst Schmitt, Verlag Michael Weyand, 14,95 Euro, erhältlich auch unter www.volksfreund-shop.de

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