Konversation 14 Tage nach der OP

TRIER. Viele von ihnen können lange Reden halten, doch sie klingen heiser, atmen geräuschvoll. Sie müssen Luft schlucken, und ihre Stimme ist häufig sehr tief, manchmal roboterhaft: Menschen, die aufgrund von Kehlkopfkrebs eine Total-OP hinter sich haben.

Die tiefe monotone Stimme eines Kehlkopflosen, kombiniert mit den hörbaren Atemzügen, ist für den unbefangenen Zuhörer im ersten Moment gewöhnungsbedürftig. Doch schnell stellt man sich auf den Klang ein. Routiniert hielt der Vorsitzende des Bezirksvereins der Kehlkopflosen Trier, Winfried Hesser, seine Festansprache im Carolus-Saal des Mutterhaus der Borromäerinnen zum 25-jährigen Bestehen des Vereins. Im Jahr 1981 hatten sich 27 Betroffene unter Professor Dr. Jochen Gosepath zusammengeschlossen, um besser mit den hohen psychischen und physischen Belastungen umgehen zu können. Ziele des Vereins ist die Betreuung der Tumorpatienten und ihrer Angehörigen, es soll Hilfestellung geleistet und Mut gemacht werden."Mekka der Stimmrehabilitation"

"Die Selbsthilfegruppe hat sich alles erkämpfen müssen - den Kuraufenthalt oder auch die logopädische Behandlung", betonte Chefarzt Dr. Peter Schwerdtfeger. Klaus Steinborn, der Vorsitzende des Landesverbandes Rheinland-Pfalz: "Bei mir wurde 1974 der Kehlkopf entfernt. Mit einer Kanüle und ein paar Lätzchen wurde ich nach Hause geschickt." Dies sieht heute glücklicherweise ganz anders aus - vor allem in Trier: "Wir sind sozusagen das Mekka der Stimmrehabilitation", sagte Schwerdtfeger. "Früher bekam ich regelmäßig eine Gänsehaut, wenn ich den Patienten eröffnen musste, dass sie nach der Operation nicht mehr reden können. Heute sage ich: ‚In zehn Tagen können Sie wieder ja und nein sagen, in vierzehn Tagen Konversation machen.'" Dies alles dank einer neuen Kehlkopf-Prothese, die bei neunzig Prozent der totaloperierten Patienten erfolgreich zum Einsatz kommt. So klang die Stimme des Präsidenten des Bundesverbandes der Kehlkopflosen, Werner Kubitza, fast normal; bei seiner Ansprache muss er das Ventil unter seiner Krawatte abdichten. "Ein großer Fortschritt", sagt der Chefarzt. "Leider halten viele Kliniken in Deutschland an der alten Methode fest. Viele Patienten bleiben stumm." Von den Entwicklungsländern, etwa Schwarzafrika und Lateinamerika, ganz zu schweigen. Ursache für den Tumor am Kehlkopf ist zumeist starkes Rauchen über viele Jahre; es kann auch die Arbeit an der Teermaschine oder Asbestose sein. Dr. Peter Schwerdtfeger: "Wir haben an die hundert Fälle pro Jahr, darunter zwanzig Total-OPs, wenn Bestrahlung, Chemo, Laser nicht ausreichen." Es trifft immer mehr Männer ab Ende dreißig, und auch die Frauen holen auf: "Sie machen mittlerweile die Hälfte aller Fälle aus. Allerdings haben sie einen Östrogenschutz - bis zur Menopause." Winfried Hesser beobachtete: "Gerade Frauen ziehen sich zurück, sie genieren sich oft sehr, verdecken ihre Kehle." Demonstrativ zeigt er sein kreisrundes Loch. "Glücklicherweise kann der Körper sich selbst helfen - mit einer ‚Ersatzstimme'." Vor 17 Jahren wurde er operiert; ein Jahr lang übte er Sprechen. Er klingt heiser dabei, hat jedoch keine Schmerzen und kann ganz normal essen. Wie selbstverständlich lebt er mit seiner Behinderung: Genau dies möchte sein Verein auch anderen Betroffenen ermöglichen. Beim Festtag herrschte lockere Stimmung; das Biewerer Mandolinenorchester spielte auf, die Sopranistinnen Monika Hecken und Monika Weber mit Viola Heise am Klavier besangen den freudigen Tag. Werner Kubitza: "Das ist eigentlich ein seltsames Verständnis. Da schneidet uns jemand die Kehle auf, und wir sind ihm dankbar dafür. Das Zusammenwirken mit den Ärzten ist hervorragend!"

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