Livesendung Kraft Bräu Talk „Energiewende funktioniert nur, wenn jeder Zugeständnisse macht“
Drei Gäste, die eines gemeinsam haben: Sie leben im Kreis Trier-Saarburg und möchten die Zukunft ihrer Heimat konkret mitgestalten: Landrat Stefan Metzdorf, Roman Kasselmann (Ortsbürgermeister Gusterath) und Gerd Schöller (Geschäftsführer Schoenergie GmbH) waren zu Gast in der Live-Sendung Kraft Bräu Talk.
Liegt der Fokus beim Kraft Bräu Talk sonst meist auf der Stadt Trier, hatten die Moderatoren Chris Steil und Klaus Tonkaboni dieses Mal bewusst Gäste aus dem Umland zum Interview aufs Sofa gebeten – wohnen im Kreis mit 152.000 Menschen mehr Einwohner als in der Stadt Trier.
Landrat Stefan Metzdorf zog nach rund einem Jahr im Amt zunächst Bilanz: „Ich bin etwas anders als mein Vorgänger - ich komme nicht im Anzug und mit Krawatte daher. Mir ist immer wichtig, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen, und so gehe ich auch in die Verwaltung hinein.“ Er sei direkt im Krisenmodus ins Amt gestartet mit Nachwirkungen der Flutkatastrophe, der Corona-Pandemie und des russischen Angriffskriegs.
Metzdorf hat sich laut eigener Aussage erst einmal viel Zeit genommen, um an der neuen Wirkungsstätte anzukommen, „die Kreisverwaltung Trier-Saarburg ist eine Riesenverwaltung mit mehr als 600 Mitarbeitern. Ich hatte mir vorgenommen, langsam im Haus anzukommen und mir viel Zeit zu nehmen, um mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu sprechen, um ein Gefühl für das Haus zu bekommen.“ Auch habe er ein Thema, das im Wahlkampf immer wieder eine große Rolle gespielt habe, in den Mittelpunkt gestellt: die Schulen. Ich habe im letzten Jahr alle Schulen besucht und habe mir vor Ort angesehen, wie der Stand ist, wo der Schuh drückt und wie wir vorankommen können.“ Eine Kernbotschaft Metzdorfs: „Laut Prognose des Statistischen Landesamts wachsen wir weiter. Sie geht davon aus, dass wir bis 2030 noch mal um fünf Prozent zulegen. Der Kreis Trier-Saarburg ist attraktiv und gut aufgestellt.
Landrat Metzdorf macht sich Sorgen ums Ehrenamt
Und was ist, wenn etwas mal nicht so gut läuft? Metzdorf: „Landrat zu sein bedeutet, in der Verantwortung zu stehen und am Tag viele Entscheidungen zu treffen. Davor drücke ich mich nicht. Da kann es durchaus mal passieren, dass eine Entscheidung nicht so gut war – und das muss man dann aber auch ganz offen kommunizieren. Es ist insgesamt wichtig zu sagen: Es gibt eine Richtung, und diesen Weg gehen wir konsequent.“
Von Chris Steil auf die großen Herausforderungen angesprochen, nennt der Gusterather vier vorherrschende Themen: „Digitalisierung, Klima, Katastrophenschutz und Fachkräftemangel (gerade in der Pflege).“ Außerdem gibt er Antwort auf eine Zuschauerfrage – ob es auch Probleme im Kreis gebe, auf die er (noch) keine Lösung habe. „Ja, das ist zum Beispiel das Ehrenamt.“ Es sei ihm ein großes Anliegen, Menschen für das Ehrenamt, für die gute Sache zu begeistern. „Wenn wir keine ehrenamtlichen Orstbürgermeister und keine Räte mehr haben, dann ist das ein Riesenproblem für uns und die Demokratie.“
Ortsbürgermeister Kasselmann: Man darf sich nicht immer nur beschweren
Auch Metzdorfs Nachfolger als Ortsbürgermeister von Gusterath stand an diesem Abend Rede und Antwort. Wie kam Roman Kasselmann dazu, sich für das Ehrenamt zu bewerben? „Man kann sich nicht immer beschweren, dass etwas nicht läuft, wie man es sich wünscht, sondern muss dann auch mal Nägel mit Köpfen machen und die Konsequenz daraus ziehen.“ So kam er zu dem Schluss: Ich stelle mich zur Wahl. „Natürlich auch aus dem Antrieb heraus, das für mich, meine Kinder und die anderen Kinder in Gusterath zu tun. Familien liegen mir sehr am Herzen, da ich da im Thema drin bin.“ Es sei gut, die Möglichkeit zu haben, dieses Umfeld zu schaffen und Entscheidungen treffen zu können, die dazu beitragen, dass man sich lange zu Hause wohlfühle.
Natürlich kam auch das Thema Musik zur Sprache. „Du bist ein erfolgreicher Musiker (All about Joel, Männer) – kommt das dann nicht ein bisschen kurz?“, fragte Moderator Steil. Das ist alles eine Frage der Organisation, findet Kasselmann. „Ich bin beruflich frei, dann kann ich Termine als Ortsbürgermeister tagsüber wahrnehmen, und Musiker arbeiten ja naturgemäß eher abends.“ Und so lautete die klare Botschaft: „Ich habe noch Ressourcen, um Musik zu machen.“
So steht’s um die Kultur im Landkreis Trier-Saarburg
Apropos Musik: Wie sieht’s denn kulturell im Landkreis aus? Zunächst legte Kasselmann den Fokus auf ein allgemeines Problem der Branche: „Bei unserer Band Männer war das Problem beispielsweise, dass wir zu professionell waren, um zu sagen: Wir spielen da irgendwo fürn Appel und’n Ei. Auf der anderen Seite sind wir nicht in der Position, dem Veranstalter zu garantieren, dass 2000 Leute pro Abend kommen. Die Veranstalter waren also verunsichert, und aus diesem Grund wurden oft Konzerte abgesagt.“ Das Verhalten der Menschen habe sich diesbezüglich verändert – der Vorverkauf laufe in nur wenigen Fällen noch richtig gut.
Metzdorf wies außerdem daraufhin, dass die Stadt im Vergleich zum Kreis natürlich ein ganz anderes Angebot habe. „Aber wir haben eine ganz, ganz tolle Kreismusikschule, die sehr engagiert ist.“ Und Visionen hat er in punkto Kultur im Kreis durchaus noch: „Mein Wunsch war es immer mal, ein richtig großes Rockkonzert in den Kreis Trier-Saarburg zu holen – davon träume ich immer noch.“
Schoenergie-Chef: Strom wurde immer teurer, Solartechnik günstiger
Auch der dritte Gast, Gerd Schöller, ist im Landkreis verwurzelt. Mit drei Brüdern gründete er vor 15 Jahren die Firma Schoenergie in Föhren. „Das ist schon interessant, mit der ganzen Familie zu arbeiten“, findet er. Mittlerweile hat das Unternehmen 210 Mitarbeiter in Föhren, in seinen Niederlassungen, auch in Nachbarländern. Für die Spezialisten in Sachen Solartechnik war das vergangene Jahr ein prägendes: „Wir haben in den letzten 12 Monaten ganz besonders gesehen, wie sich dieses Energiethema entwickelt hat. Unsere Geschichte hat natürlich früher begonnen. Politisch gewollt war das Thema von Anfang an. Man hat damals begonnen, auf Dächern von Einfamilienhäusern Solarstromanlagen zu fördern.“ Strom sei in den letzten Jahren immer teurer geworden, Solartechnik hingegen immer günstiger, und so seien auch große Freilandanlagen gebaut worden.
Schöller gab dann auch Einblicke, wie das ist, als Unternehmer etwas zu wagen: „Wir waren bis 2016 noch ein Betrieb mit 25, 30 Mitarbeitern. Wir wollten aber nie der klassische Handwerksbetrieb sein, sondern wir wollten etwas bewegen. Wir waren jung – und rückblickend betrachtet glücklicherweise manchmal auch naiv.“ 2020 haben man zum ersten Mal die 100-Mitarbeiter-Schwelle überschritten und in den letzten 12 Monaten noch einmal 100 Mitarbeiter eingestellt. „Wir wollen die Verantwortung für die Energiewende auch übernehmen“, macht der Schoenergie-Geschäftsführer klar.
Warum Solaranlagen auf Einfamilienhäusern sinnvoll sind
Machen Solaranlagen denn auch auf Einfamilienhäusern Sinn? „Ja, klar“, lautet Schöllers Antwort, „das ist die einzige Form von Strom, die wir zu Hause herstellen können. Wir haben im vergangenen Jahr 650 Anlagen dieser Art realisiert.“ Das mache auf jedem Gebäude Sinn.
Auch in Gusterath ist Solarenergie gerade ein heißes Thema. Roman Kasselmann: „Wir haben gerade besprochen, dass wir unser Bürgerhaus mit Photovoltaik ausstatten.“ Zudem gebe es ein Projekt rund um eine Bürgerenergiegenossenschaft, mit der die Gemeinde eine Flächenphotovoltaikanlage realisieren wolle, um jedem Bürger in Gusterath die Möglichkeit zu geben, an dieser Genossenschaft teilzuhaben.“
Stellt sich die Frage: Können wir die Energiewende alleine mit Solarstrom realisieren? Schöller wird deutlich: „Nein, das können wir nicht – wir brauchen die Kombination aus Biomasse, Windkraft und Solarstrom. Diese Energiemengen müssen wir temporär speichern, um sie dann zu nutzen, wenn wir sie brauchen.“ Bürger und Politik seien hier gefragt, sich über eine Sache klar zu werden: Wollen wir in der ländlichen Region die Energieproduktion haben für eine Großregion. Schöller: „Hier haben eine enorm große Chance.“ Kasselmann sprach ein allgemeines Problem an, das sich auch beim Thema regenerative Energien zeigt: „Viele sagen, dass sie die Energiewende wollen. Und dann kommt das Aber: bitte nicht vor meiner Haustür!“ Energiewende funktioniere aber nur, wenn jeder irgendwo Zugeständnisse mache.
Über Kultur wurde übrigens nicht nur geredet, sondern den Zuschauern auch live präsentiert: Claudia Obser alias Itta & die Emmerichs sang drei ihrer selbst komponierten Songs, was vom Publikum begeistert aufgenommen wurde.