Glaube im Alltag Kura skymning – Dämmerung ...
Im Schwedischen gibt es einen schönen Ausdruck, der schwer zu übersetzen ist: Kura skymning. Kura heißt so etwas wie „kauern“, „hocken“, skymning heißt Dämmerung. Aber kura skymning ist auch nichts, worüber man groß redet.
Man tut es. Ungeplant. Und meistens merkt man erst mittendrin, dass man gerade dabei ist. Kura skymning bedeutet: Man sitzt abends in ein tiefes Gespräch oder gemeinsames Schweigen versunken, und langsam bricht die Dämmerung ein, und man sitzt einfach da und lässt sich vom Dunkel umgeben. Irgendwann bricht es, irgendwann steht jemand auf und sagt: „Ich mach mal Licht!“ Dann ist es vorbei, die fast magische Stimmung verflüchtigt sich, und dann ändert sich auch oft irgendetwas im Gespräch. Und das ist dann gut so.
Kura skymning. Ich mag das. Ab und an passiert das in Trauergesprächen. Wir saßen da und redeten und schwiegen miteinander. Es wurde dunkel, aber keiner machte Licht. Das gemeinsame Sitzen in der Dämmerung kann einen unglaublichen Symbolcharakter haben und die Atmosphäre und den Kontakt nachhaltig verdichten. Ich glaube, wir bewähren uns in solchen Situationen als Trauerbegleiter, weil wir mit im Dunkeln sitzen bleiben – und vielleicht sogar darin über uns hinausweisen, indem wir stellvertretend die unausgesprochene Einladung annehmen: „Bleib‘ bei uns, denn es wird Abend werden, und der Tag hat sich geneigt.“ Der Satz stammt aus der Emmausgeschichte. Die beiden Männer darin richten diese Einladung an Jesus – ohne zu wissen, wen sie vor sich haben. Ich glaube, dass wir auch in einem solchen Trauergespräch nicht nur zu zweit sind. Das Bleiben, Wachen und Beten angesichts des Todes ist ja auch sonst ein Auftrag an die Jüngerinnen und Jünger von Jesus gewesen. Irgendwann ist dieser besondere Moment dann vorbei. Irgendwer steht auf und macht Licht, irgendwann, wenn es für sie für diesen Abend erst mal gut ist. Und dann ist es gut.
Pfarrer Matthias Ratz, Trier