"Kurz in eine andere Welt gehüpft"

Trier · An den Aprilwochenenden war Trier um eine Attraktion reicher: Die Künstlerin Pia Müller kutschierte 14 Paare - einen jungen und einen alten Menschen - in einer Tisch-Rikscha durch die Stadt (der TV berichtete). Ihre Bilanz: viele tolle Begegnungen, Frauendominanz und ein demolierter Sahnekuchen.

 Generationentreff in der Rikscha (von links): Gisela Wiersch, Johannes Gehl und Pia Müller am Lenker.TV-Foto: Katja Bernardy

Generationentreff in der Rikscha (von links): Gisela Wiersch, Johannes Gehl und Pia Müller am Lenker.TV-Foto: Katja Bernardy

Trier. "Haben Sie schon Muskelkater?" "Können Sie mich zur Porta fahren?" Diese Fragen hat Pia Müller während der insgesamt 30 Stunden, in denen sie im April mit der Tisch-Rikscha durch Trier tourte, oft gehört.
Die beiden Plätze waren immer besetzt: Die Trierer Künstlerin hatte paarweise eingeladen, denn die Idee war, dass Jung und Alt sich in der Tisch-Rikscha begegnen.
Die Senioren bestimmten die Route, sie erzählten während der Fahrt von ihrer Heimatstadt und ihrem Leben. 14 Paare haben an dem Kunstprojekt, das Teil der landesweiten "Tischtransaktion" (blog.tischtransaktion.de) war, teilgenommen. Mehr Frauen als Männer. Und die Männer, die mitfuhren, konnten es Müller zufolge nur schwer aushalten, sie strampeln zu lassen.
Dabei sei das Treten in die Pedale gar nicht so mühsam gewesen wie erwartet. "Trier eignet sich übrigens hervorragend für Rikschafahrten", meint die Künstlerin. Weil die Stadt nicht so riesig sei und relativ eben. Die 36-Jährige strampelte von Süd nach Nord, von der Porta bis zum Landesmuseum - und hat dabei selbst viel erfahren.
Etwa, wie rücksichtsvoll Triers Autofahrer sind und dass das Schuckeln über Kopfsteinpflaster Sahnekuchen deformiert. Müller hat den Paaren immer Kuchen und Kaffee auf einem speziellen Tisch serviert, damit in der Rikscha Kaffeetischstimmung aufkommen konnte. Ein paar Torten wurden verputzt und mehrere Liter Kaffee geschlürft. Auch, dass sich die Stadt im vergangenen halben Jahrhundert sehr verändert hat, hat Pia Müller gelernt.
"Ich habe ja die gesamten Gespräche mitbekommen", sagt die Künstlerin. Die Erzählungen hätten ihr Lust gemacht, sich Fotos über das "alte Trier" im Archiv anzusehen. Sowohl sie als auch das Paar seien während der Touren "kurz in eine andere Welt gehüpft."
Es habe auch sehr bewegende Momente gegeben: Eine 80-Jährige hatte sich zu ihrem Elternhaus in Kürenz kutschieren lassen. Sie war dort im Haus geboren worden - so wie die Kinder des jungen Familienvaters, der heute dort lebt, zufällig rauskam und spontan von den Hausgeburten seiner Kinder erzählte. "Die Offenheit und Spontanität der Leute hat mich sehr beeindruckt", sagt Müller.
Das Gespann sei häufig mit einem Lächeln oder einer netten Bemerkung quittiert worden. Auch die Kommunikation zwischen den Generationen habe immer gestimmt. "Es gab hinter mir nie ein Schweigen, und alle haben sich sofort geduzt", sagt Müller.
Einige Paare wollen sich wieder treffen - Alt hat Jung eben viel zu sagen.

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