Lärm-Alarm: Trierer Ordnungsamt im Dauereinsatz gegen Ruhestörer

Trier · Wenn es nebenan mal lauter zugeht, eskaliert die Lage schnell. 150 Einsätze musste das Ordnungsamt Trier in diesem Jahr bereits wegen Ruhestörungsmeldungen fahren. Doch die Personaldecke ist dünn – und die Prioritäten liegen woanders.

Christian A. ist mächtig wütend. "In der Nacht telefonierte mein Nachbar direkt gegenüber auf seiner Terrasse mit Lautsprecher." Offenbar hatte er dabei viel zu sagen: "Das Gespräch ging von 21 Uhr bis 1.30 Uhr. Da mein Schlafzimmer direkt gegenüber liegt, bekam ich jedes einzelne Wort genau zu hören", sagt der Trierer.Eine klassische Situation: Der Nachbar verursacht Lärm, der stört und nervt. Was kann man tun? Schritt eins: friedliche Kommunikation. Doch damit kam Christian A. laut eigener Aussage nicht weit. "Gegen 0.30 Uhr nahm ich es mir raus, den guten Mann vom Fenster aus zu bitten, nach drinnen zu gehen, da er die ganze Nachbarschaft wach hält." Die friedliche Verständigung scheiterte. "Nach einem Wortgefecht inklusive Beleidigungen entschloss ich mich, das Ordnungsamt zu kontaktieren."
Das Ordnungsamt Trier ist in der Tat der richtige Ansprechpartner für Ruhestörungen - jedoch nicht rund um die Uhr. Der starke Arm des Amts sind die uniformierten Mitarbeiter des kommunalen Vollzugsdienstes. Dieser ist werktags von 7.30 bis 0.30 Uhr in der Wache Hindenburgstraße unter Telefon 0651/718 4321 erreichbar. Außerhalb dieser Dienstzeiten ist die Polizei Trier die richtige Adresse für Lärmbeschwerden.
Christian A. erreichte das Ordnungsamt und meldete sein Problem. Der Anruf hatte nicht die von ihm erhoffte Wirkung. "Am Fenster beobachtete ich, wie der Wagen des Ordnungsamtes Trier an der Hausnummer vorbei rauschte, 100 Meter weiter wendete und erneut an dem Haus vorbeifuhr. Das war's." Das Telefongespräch des Nachbars ging weiter. Christian A. fragte beim Ordnungsamt nach. "Nach kurzer Rücksprache mit der Streife sagte mir eine Mitarbeiterin, dass die Kollegen nichts gehört haben und keine Ruhestörung vorliegt."
Der TV greift den Fall des Christian A. auf und bittet das Ordnungsamt um eine Stellungnahme. Diese kommt von Dieter Jacobs, Sprecher der Stadt Trier. "Die Streife hielt vor dem gemeldeten Anwesen an, stieg aus und überprüfte das Haus." Doch alles war dunkel und still. "Die Streife ging davon aus, dass sich die Sache erledigt hat."Hatte sie aber nicht. Stattdessen war die Adresse falsch. Statt der Hausnummer 38 hatte die Zentrale die Nummer 53 notiert, und dort herrschte tatsächlich Stille. Jacobs: "Wie es dazu kam, konnte nicht ermittelt werden."Durch diesen Fehler blieb das Problem des Christian A. ungelöst. Er ist nicht der einzige Lärmgeplagte, der die Behörden um Hilfe gebeten hat. 150 Einsätze hat das Ordnungsamt bisher im Jahr 2016 wegen Ruhestörungen verzeichnet.
"Alle Einsätze werden nach ihrem Eingang abgearbeitet", sagt Stadt-Sprecher Jacobs. Das Problem: Der kommunale Vollzugsdienst hat nur zwölf Mitarbeiter, die einen riesigen Verantwortungsbereich abdecken müssen. Dieter Jacobs erklärt die Lage: "Notfälle mit hilflosen Personen, Suizidankündigungen, Zwangseinweisungen von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Süchtigen und aus Pflegeheimen Geflüchtete haben Vorrang."Den 150 Einsätzen wegen Ruhestörung im Jahr 2016 stehen 230 Notfälle dieser Art gegenüber. "Deshalb müssen Beschwerden über Lärm bei der derzeitigen Personalstärke häufig zurückgestellt werden." Auch der Polizei stellt sich dieses Problem: Akute Notlagen wie Unfälle oder Gewaltdelikte haben immer Priorität vor Ruhestörungen.Der Fall des Christian A. hat Folgen, denn das Ordnungsamt will eine Wiederholung dieser Panne vermeiden. "Die Kollegen des Ordnungsamtes bedauern ausdrücklich, dass es hier zu einem Übermittlungsfehler gekommen ist", sagt Dieter Jacobs. "Als Konsequenz wird ab sofort jede Adresse noch einmal zusätzlich abgefragt."
Ob eine Ruhestörung tatsächlich eine ist, soll Paragraf 13 des Landesimmissionsschutzgesetzes regeln. Der Paragraf verbietet "Betätigungen, die zu einer Störung der Nachtruhe führen", untersagt die Nutzung von Fahrzeugen oder Audiogeräten, "wenn Personen belästigt werden oder die Umwelt beeinträchtigt wird". Verstöße gelten als Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbußen bis zu 5000 Euro bestraft werden.

Meinung

Wer stur auf sein Recht pocht
Juristisch gesehen ist die Lage gar nicht so schwer. Der Gesetzgeber schützt die Mittags- und Nachtruhe, er will zeitliche Schutzräume schaffen, in denen kein Lärm drohen darf. Dagegen steht im Gesetz kein einziges Wort über das Recht auf Lärm. Death Metal oder Helene Fischer als Grundrecht? Gibt es nicht. Laute nächtliche Debatten als Ausdruck der Rede- und Meinungsfreiheit? Keine Chance. Viele Eskalationen dieser Art belasten die Behörden völlig unnötigerweise. Verständnis und Einsicht sollten selbstverständlich sein, sind aber tatsächlich eher selten.Doch es gibt auch kein Recht auf ständige Stille. Spielende Kinder? Selbstverständlich dürfen sie dabei laut sein. Bau- und Gartenarbeiten? Montag bis Samstag gilt eine Ruhezeit von 20 bis 7 Uhr für alle Maschinen, Sonntag ist ein kompletter Ruhetag. Alles andere ist erlaubt. Doch auch hier hilft eine ruhige Verständigung.Fazit: Wer ständig stur meint, auf sein vermeintliches Recht pochen zu müssen, hat sowohl als Lärmverursacher als auch als Ruheforderer sehr schlechte Karten - und am Ende noch mehr Stress.j.pistorius@volksfreund.de

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