Lästern, hänseln, nachdenken

TRIER. (cofi) Über jemanden lästern und ihn schneiden – das ist eine alltägliche Form von Mobbing an Schulen. Auch in der Region Trier. Denn nicht nur im vom Arbeitskreis Gewaltprävention gezeigten Kino-Film "Willkommen im Tollhaus" legen Jugendliche dieses Verhalten an den Tag. Der Kino-Vormittag war eine Veranstaltung während der Gewaltpräventionswochen, die noch bis zum 31. Mai stattfinden.

"Das Mädchen sah ja auch sch...e aus, da wird man eben ausgelacht", fand ein Schüler nach dem Film deutliche Worte. Und zeigte damit, dass jede Form von Anderssein - ob wegen des Aussehens, des Verhaltens oder aufgrund einer Behinderung - auffällt und für andere eine Angriffsfläche bietet. Auch die Schüler im Publikum lästerten und lachten über das Mädchen Dawn, die Hauptfigur des Films. An Äußerlichkeiten machten die Schüler zweier siebter Klassen der Realschule Saarburg und der 8 a des Trierer Auguste-Viktoria-Gymnasiums (AVG) die Probleme der Hauptdarstellerin fest. Das Mädchen Dawn könne nicht erwarten, von Mitschülern angenommen zu werden. So, wie sie es täte, müsse man sich nicht anstellen und verhalten, fanden einige Schüler. Der Film erzählt die Geschichte von Dawn Wiener - dicke Brille, schiefe Zähne, geschmacklose Klamotten. Die Elfjährige ist Schülerin auf der Benjamin Franklin Junior High School. Sie hat einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester, die süße, im rosa Tutu Ballett tanzende Missy, die beide mehr Aufmerksamkeit von den Eltern bekommen als Dawn. Dawn hat keine Freunde, wird in der Schule geschnitten und gemobbt, muss den Spott der Mitschüler ertragen, ist das "Wienerwürstchen". Ihr Leben ist die Hölle, ein Albtraum ohne Erwachen. Einer der Rädelsführer ist Brandon, der sie schikaniert und ihr sogar droht, sie zu vergewaltigen, was aber nur in einem zaghaften Kuss endet. Weder Lehrer, der Schuldirektor noch ihre Eltern erkennen Dawns Situation, bestrafen sie eher noch, als sie versucht, sich zu wehren. Nur im wesentlich älteren Steve Rodgers glaubt sie ihren Retter gefunden zu haben. Dieser Traum zerplatzt allerdings auf schmerzhafte Weise. Erst als Dawns kleine Schwester entführt wird, gibt es ansatzweise mehr Interesse der Mutter an der mittleren Tochter. Doch als auch Dawn verschwindet, um sich auf die Suche nach Missy zu machen, fällt das ebenso wenig auf wie ihre Bemühungen um Anerkennung. Auch in der Schule bleibt sie der ungeliebte Trampel und Opfer für verletzende Häme und Sticheleien. Die tragische Hauptfigur erntete nicht ungeteilt das Mitgefühl des jugendlichen Trierer Publikums, ist sie doch eher als Anti-Heldin angelegt. Aber ebenso wenig eindeutig lehnten die Zuschauer die Reaktionen der Mitschüler Dawns ab. Dennoch machten sie sich Gedanken darüber, dass die Familiensituation viel dazu beitragen könne, dass Kinder wenig Selbstbewusstsein entwickeln und so zu Mobbing-Opfern würden. "Der Bruder von Dawn war ein Stolz-Träger, die kleine Schwester wurde bevorzugt. Die mittlere Tochter wurde total benachteiligt; das ist oft so", sagte Ronja Spies (15), Schülerin am AVG. "Ich würde aber nicht reagieren, wenn jemand gehänselt wird, dafür fühle ich mich nicht verantwortlich." Dieses Verhalten spiegele die Gesamtkultur wider, sich nur um sich selbst zu kümmern, wenig Zivilcourage an den Tag zu legen, meinte Irene Stangl vom Haus der Jugend in Konz und Mitglied des Arbeitskreises Gewaltrpävention. "Da muss noch viel von uns Erwachsenen getan werden." Wünschenswert wäre es, wenn die Lehrer das bereitgestellte Material oder die Kompetenz der Arbeitskreis-Mitarbeiter nutzen würden, um den Film im Unterricht nachzubereiten. "Unsere Angebote sollen ein Impuls sein", sagte AK-Koordinatorin Anja Geishecker.

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