Land beharrt auf Ausreisezentrum

Trier · Trotz der Ablehnung der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige (Lufa) durch den Trierer Stadtrat hält die Landesregierung an der Einrichtung fest. Die Initiatoren des Trierer Appells begrüßen hingegen das überraschend klare Votum zur Schließung.

Seit Jahren fordern Bündnis 90/Die Grünen, Linkspartei, das Multikulturelle Zentrum und weitere Unterstützerorganisationen immer wieder, die Lufa in Trier-Nord (siehe Extra) aufzulösen. Im Dezember übergab das Bündnis "Ausreisezentrum abschaffen" dem Innenministerium in Mainz den sogenannten Trierer Appell mit 580 Unterschriften, um eine dezentrale Lösung herbeizuführen.

Statt abgelehnte Asylbewerber in der Dasbachstraße zwangsweise zusammenzufassen, sollte das Land ihnen erlauben, verteilt auf mehrere Kommunen zu wohnen und sich den Lebensunterhalt selbst zu verdienen.

Auf neuen Auftrieb folgt ein Rückschlag



Neuen Auftrieb bekam die Initiative am Mittwochabend durch die Bitte des Stadtrats ans Land, die Lufa zu schließen (der TV berichtete). "Trier hat deutlich gezeigt, dass man eine solche Institution nicht länger im Stadtgebiet duldet", heißt es dazu in einer Stellungnahme des Multikulturellen Zentrums und der Bunten Liste im städtischen Migrationsbeirat.

Das Land allerdings blieb in einer ersten Reaktion seiner bekannten Linie treu. "Die Lufa ist aus Sicht der Landesregierung und der anderen Kommunen eine notwendige Einrichtung, auf die wir derzeit nicht verzichten können", sagte Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) auf TV-Anfrage.

Wenn nach Abschluss der Verwaltungs- und Gerichtsverfahren feststehe, dass ein Asylbewerber das Land verlassen müsse, dann müsse diese Ausreise auch durchgesetzt werden. Die Lufa entlaste die Kommunen, die nicht das Spezialwissen einer Landesbehörde haben könnten. Bruch: "Es kann nicht hingenommen werden, dass einzelne Ausreisepflichtige bewusst ihre Identität verschleiern, um sich so der Ausreiseverpflichtung zu entziehen."

Im Rat hatte Corinna Rüffer (Bündnis 90/Die Grünen) den Antrag ihrer Fraktion begründet: "Die Einrichtung steht auf juristisch sehr unsolidem Fundament. Sie kann moralisch nicht gerechtfertigt werden."

Thomas Albrecht (CDU) äußerte Verständnis für die Lufa-Kritiker. Die meisten Bewohner seien allerdings keine politischen Flüchtlinge, sondern "aus purer wirtschaftlicher Not" in Deutschland und deshalb laut Gesetz nicht asylberechtigt: "Wir können nicht allen Armen Zuflucht geben."

Maria Duran-Kremer (SPD, auch Vorsitzende des Migrationsbeirats) bezeichnete die Lufa als "Ort der Hoffnungslosigkeit": "Man nimmt den Menschen alles, was sie ausmacht." Katrin Werner (Die Linke) beklagte "psychischen Druck und tägliche Menschenrechtsverletzungen".

Aus Sicht von Hermann Kleber (FWG) ist die Lufa ineffizient und schadet dem Image der Stadt.

Felix Brand (FDP) wandte ein, die Menschen seien dort recht gut untergebracht. Er habe eine Problem damit, dass sie zum Teil die Feststellung ihrer Identität verwehrten. So fasste der Rat den Beschluss bei vier Enthaltungen (drei Mal FDP und Johannes Verbeek, parteilos).

Extra

Landesunterkunft für Ausreisepflichtige: In der Trierer Lufa wohnen etwa 35 Menschen meist aus Asien und Afrika, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die aber wegen fehlender Angaben zur Identität noch nicht abgeschoben werden können. Hintergrund dieser Problemlage sind laut Ministerium zum Beispiel bewusste Falschangaben zur Staatsangehörigkeit, Vernichten von Ausweisen, fehlende Mitwirkung bei der Beschaffung von Pässen. (cus)

Meinung

Bemerkenswerte Debatte

Man muss nicht gleich von einer "Sternstunde des Stadtrats" sprechen, wie es die Grüne Corinna Rüffer tat. Aber es war schon eine bemerkenswerte Debatte zum Ausreisezentrum, weil sie in mehrerlei Hinsicht überraschte: Obwohl das Thema sich als Wahlkampfthema eignen würde, nutzte das keine Fraktion aus. Die Redebeiträge waren sachlich und tiefgründig, aber zugleich sehr emotional. Das zeigt: Leidenschaftliches Argumentieren geht auch ohne Polemik. Die SPD-Fraktion, oft und gerne überzeugte Verteidigerin der Landesregierung, stellte sich mit dem Beschluss ausdrücklich gegen Kurt Beck. Das ist einigermaßen mutig in Zeiten des Wahlkampfs und alles andere als selbstverständlich. Ein Vorschlag der FWG sorgte dafür, dass der Grünen-Antrag für fast alle bis auf - ausgerechnet - die Liberalen zustimmungsfähig wurde. Argumente hören, abwägen, einen Kompromiss finden - auch das gelingt längst nicht immer im Rat. Genutzt hat das alles erstmal wenig. Innenminister Bruch bleibt hart und hält am Ausreisezentrum fest. Vielleicht bewirkt der öffentliche Druck auch aus den eigenen Reihen aber im Nachgang wenigstens, dass sich für die Lufa-Bewohner die unzumutbaren Lebensbedingungen künftig verbessern. Dann hätte die Sitzung das Prädikat "Sternstunde" doch noch verdient. m.schmitz@volksfreund.de

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