Land bestellt, statt zu bezahlen

Trier · 270 000 Euro hat die Stadt in diesem Jahr ausgegeben, um den Verleih von Schulbüchern an den Trierer Schulen zu organisieren. Das Land, das das neue Ausleihsystem vor drei Jahren eingeführt hat, beteiligt sich an den Kosten mit nur 40 000 Euro.

 Ausleihen, drauf aufpassen und zurückgeben: Auch Schüler des Max-Planck-Gymnasiums (auf unserem Archivfoto zu sehen ist die 9 b im Schuljahr 2010/11) machen beim neuen Bücherleihsystem mit. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Ausleihen, drauf aufpassen und zurückgeben: Auch Schüler des Max-Planck-Gymnasiums (auf unserem Archivfoto zu sehen ist die 9 b im Schuljahr 2010/11) machen beim neuen Bücherleihsystem mit. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Trier. 5100 Trierer Schüler haben sich dieses Jahr ihre Lehrbücher im Rahmen des landesweiten Leihsystems bei den Schulbehörden ausgeborgt - je nach Einkommen der Eltern gratis oder gegen eine Gebühr von einem Drittel des Ladenpreises.
Für die Organisation - Anträge bearbeiten, die Computerplattform pflegen, Absprachen mit Schulministerium, Schulen und Eltern, Ausgabe der Buchpakete und Rücknahme der Leihbücher - ist die Stadtverwaltung zuständig. Satte 270 000 Euro hat die Stadtkasse dieser reine Verwaltungsaufwand im Schuljahr 2012/13 gekostet. Bei 5100 teilnehmenden Schülern sind das knapp 53 Euro pro Nase.
40 000 Euro Landeszuschuss


Die Landesregierung ersetzt den Kommunen den Verwaltungsaufwand allerdings nur mit 7,50 Euro pro Schüler beziehungsweise mit neun Euro für Schüler, die erstmals in das System aufgenommen werden. Dieses Jahr kam so ein Landeszuschuss von nur 40 000 Euro zusammen - auf 230 000 Euro der 270 000 Euro Gesamtkosten bleibt die Stadt sitzen.
Als das Ausleihsystem 2010 eingeführt wurde, hatten Land und Kommunen verabredet, nach dreijähriger Anlaufzeit zu überprüfen, ob die Pauschale, die Mainz für die Umsetzung des neuen Gesetzes zahlt, ausreicht. "Der Landesrechnungshof nimmt zurzeit als unabhängiges Gremium die Zahlen unter die Lupe. Im Herbst 2013 wird ein Gutachten zeigen, ob unser bisheriger Zuschuss angemessen, zu hoch oder zu niedrig ist", erklärt Wolf-Jürgen Karle, Pressesprecher des Mainzer Schulministeriums auf TV-Anfrage. Für Triers Schuldezernentin steht jetzt schon fest, dass das Land die kompletten Verwaltungskosten übernehmen muss: "Ich erwarte, dass die Landesregierung die Kosten den Kommunen ersetzt", erklärt Angelika Birk.
Nicht verschlechtert hat das neue Leihsystem die Situation für einkommensschwache Familien: Bekamen diese vorher Gutscheine, die sie im Buchhandel vor allem gegen Schulbücher, aber auch gegen andere Lernmaterialien eingetauscht haben, erhalten sie nun alle Schulbücher gratis ausgeliehen und auch die benötigten Arbeitshefte kostenlos.
Teilweise wenig Ersparnis


Das neue Lernmittelfreiheitsgesetz sollte aber auch Familien fördern, die über der niedrigen Einkommensgrenze für die kostenlose Ausleihe liegen (siehe Hintergrund). Diese Familien können sich Schulbücher gegen eine Leihgebühr von einem Drittel des Neupreises für ein Jahr ausleihen.
Doch diese sogenannte entgeltliche Ausleihe stößt offenbar auf verhaltene Akzeptanz: Zwar ist der Anteil der Kinder, die Bücher ausleihen, seit der Einführung des Systems angestiegen. Insgesamt machen in Trier allerdings nur gut 56 Prozent aller Schüler der Klassen fünf bis zehn mit. Bei den Oberstufenschülern sind es nur knapp 21 Prozent, bei den Grundschulen nur gut 40 Prozent.
Insbesonders bei Grundschülern lohnt sich der auch für Eltern hohe Verwaltungsaufwand kaum: Denn auf vielen Bücherlisten der ersten und zweiten Klasse stehen kaum klassische Lehrbücher, die ausgeliehen werden können. Dafür aber viele Arbeitshefte, in denen die Schulanfänger Wörter eintragen oder in die sie malen müssen - und solche Lernmaterialien sind von der Lernmittelfreiheit ausgenommen (siehe Extra).
Triers Schuldezernentin Angelika Birk (Die Grünen) kritisiert das von der ehemaligen SPD-Alleinregierung in Rheinland-Pfalz eingeführte Gesetz deswegen: "Das System der Lernmittelfreiheit sollte nicht nur angesichts des hohen Verwaltungsaufwandes, sondern auch der sich wandelnden Lernmittel - das Schulbuch ist nur noch eines unter mehreren - anders aufgestellt werden."Extra

Schulbücher kostenlos ausleihen können Schüler, deren Eltern nicht mehr als 26 500 Euro verdienen, Alleinerziehende: 22 750 Euro (bei einem Kind). Pro Kind erhöht sich die Einkommensgrenze, bei vier Kindern liegt sie bei 37 750 Euro. Alle, die mehr verdienen, können ihre Kinder zur kostenpflichtigen Ausleihe anmelden. Die Bücher können dann für ein Drittel des Ladenpreises für ein Jahr geliehen werden. Die Anmeldefrist für die kostenlose Ausleihe ist bereits am 15. März abgelaufen. Für die kostenpflichtige Ausleihe können Kinder zwischen dem 27. Mai bis zum 17. Juni angemeldet werden. Die Schüler erhalten dazu rechtzeitig einen ausführlichen Elternbrief von den Schulen. wocExtra

Familie Fischer (Name geändert) aus Trier hat zwei Töchter. Für die ältere - 5. Klasse Gymnasium - borgen die Fischers die Schulbücher gegen Gebühr aus. "Hätten wir alle acht Bücher selbst gekauft, hätte uns das 176 Euro gekostet. Die Leihgebühr für diese Bücher beläuft sich auf gut 43 Euro, wir haben also 133 Euro gespart - da lohnt das Mitmachen auf jeden Fall", sagt Mutter Simone. Bei der jüngeren Tochter, die die erste Klasse besucht, spart das Leihsystem dagegen kaum Geld: "Unter den 14 Büchern, die angeschafft werden mussten, waren nur drei, die wir hätten ausleihen können. Alle anderen sind zum Beispiel Arbeitshefte, in die die Schüler Eintragungen machen müssen, und können deshalb nicht ausgeliehen werden", sagt Mutter Simone. Die drei ausleihbaren Bücher kosten im Laden je 6,50 Euro, zusammen also 19,50 Euro. Die Leihgebühr wäre 6,60 Euro gewesen. "Wir hätten also nur knapp 13 Euro gespart - dafür war uns der Anmeldeaufwand auf der Onlineplattform dann doch zu hoch", erklärt Simone Fischer. An sich findet sie das neue Ausleihsystem allerdings gut. "Die erstmalige Registrierung ist zwar aufwendig, danach läuft aber alles problemlos." woc

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