Lange Wege, kleine Dörfer, hohe Felsen

Niederkyll/Oos/Pelm · Von A wie Aach bis nach Z wie Zewen - einmal quer durch die Region Trier. Ihr Ziel ist es nicht nur, die eigensinnige Schönheit von Eifel, Mosel und Hunsrück zu ergründen und etwas Typisches zu essen. Sie machen sich auch auf die Suche nach dem Sinn des Lebens. Eine ungewöhnliche Sommerreise.

Niederkyll/Oos/Pelm. Die Sonne scheint kräftig, nur vereinzelt zieren kleine Wölkchen den strahlend blauen Himmel: Mehr als 100 Kilometer führen mich von Trier über die A 1 bis in die Vulkaneifel. In Niederkyll soll der Startschuss meiner Sommerreise fallen. Sieben Häuser, ein Sägewerk und eine Kapelle mit römischem Denkmal erwarten mich. Keine Menschenseele auf der Straße, verschlossene Tore an der Kapelle. Der Beginn meiner Reise könnte besser laufen. Erste Pause: Ich lege mich ein paar Minuten an die Kyll, lausche dem Wasser und denke noch einmal über meine geplante Route nach. Nach einer halben Stunde setze ich meine Reise fort. Eine schweißtreibende Angelegenheit, denn mein roter Opel Corsa ist inzwischen stark aufgewärmt.

Ein Andenken finden: In Birgel stoße ich auf die historische Wassermühle. Doris Reetz arbeitet dort seit vielen Jahren als "rechte Hand des Müllers", wie sie selbst sagt. Gerne nimmt sie sich Zeit und führt mich durch die Mühle: In einer kleinen Halle stehen wir vor einem Mühlstein, rechts daneben: ein 250-Liter Fass. Reetz öffnet den Deckel des Kübels. "Das ist unser historischer Senf", sagt sie. Sofort steigt mir der unverwechselbare Geruch in die Nase und brennt sich fest. Der Senf werde nach einem historischen Rezept hergestellt, erklärt sie. Das macht mich neugierig. Wie nett: Sie schenkt mir einen kleinen Tontopf mit 200 Millilitern des Gewürzes. Ein Regal weiter steht ein Holunder-Senf-Likör. "Den bieten wir als Zusatz zu unserem Kaffee an", erklärt Reetz. Den müsste ich auch unbedingt probieren. Klingt mutig. Die Likörprobe verschiebe ich aber auf später. Sie packt mir noch einen kleinen Glas-Flakon ein, der mit einem Korken verschlossen ist.



Etwas möglichst Typisches essen und trinken:
Wie historischer Senf schmeckt, möchte ich natürlich wissen. Ich probiere ihn in Form eines Birgeler Senfkrustenbratens. "Historischer Senf - zum traditionellen Braten, wie Großmutter ihn sonntags für die Familie zubereitete", heißt es auf der Speisekarte. "Regionaler kann\'s kaum sein", denke ich mir und schlage zu. Für einen Moment steigt mir derselbe intensive Senfgeruch in die Nase, wie ich ihn an der Mühle wahrgenommen habe. Die Portion ist riesig - zu groß für meinen kleinen Magen. Eine Mitschuld am nicht ganz leer geputztem Teller trägt sicher auch das selbst gebackene Brot, das im Restaurant zusammen mit Kräuterbutter und Schmand serviert wird. Denn im Brotkörbchen hinterlasse ich lediglich ein paar winzige Krümelchen, für die sich vermutlich nicht einmal die Tauben in der Trierer Fußgängerzone bücken würden.

Mit jemandem über den Sinn des Lebens reden: In Lissingen fällt mir am rechten Straßenrand eine Burg auf. "Die gibt bestimmt ein schönes Fotomotiv her", denke ich mir und halte an. Im Burginnenhof treffe ich auf Sozialpädagogin Astrid Glimko. Die 58-Jährige leitet als Burgführerin zahlreiche Besucher durch die entlegensten Winkel der mittelalterlichen Motte. Nach einem kurzen Gespräch über die Sehenswürdigkeiten der Ruine fasse ich all meinen Mut zusammen und frage sie, ob sie schon einmal über den Sinn des Lebens nachgedacht habe. "Das hat mich schon lange niemand mehr gefragt", sagt sie und überlegt. "Dass ich mich nicht mehr so wichtig nehme und mich als Teil des Ganzen sehe", schießt es dann aus ihr heraus. "Ich glaube aber, dass sich das in den vergangen Jahren geändert hat", erklärt sie dann. Früher habe sie mehr auf sich geschaut. Kinder bekommen, die wahre Liebe finden: "Das waren alles individuelle Ziele." Seit ein paar Jahren, nach mehreren Operationen, habe sich das geändert. Sie fliege nicht viel und sei Vegetarierin geworden. "Ich möchte nicht, dass wegen mir das Klima kaputtgeht."

Einen Lieblingsplatz finden: Dieser Punkt auf meiner Liste fällt mir besonders schwer. Nicht, weil es keine schönen Plätze gibt. Es gibt zu viele. Fündig werde ich erst kurz vor Schluss in Gerolstein: Schon von weitem ragt der Auberg aus der rauen Landschaft heraus. Ich frage mich, wie klein die Stadt wohl wirkt, wenn man von der Spitze hinab ins Tal schaut. Mein Auto parke ich an einer Feriensiedlung, ab da beginnt mein halbstündiger Fußmarsch. Spätestens am Fuß des Bergs merke ich, dass ich mit meinen Turnschuhen heute nicht die perfekte Wahl getroffen habe. Der kahle Fels ist stellenweise glitschig, eine Absicherung gibt es nicht. Ich klettere trotzdem. Die Mühe hat sich gelohnt. Oben angekommen, offenbart sich ein perfekter Rundumblick. Wow! Alles wirkt auf einmal klein und unbedeutend. Der perfekte Abschluss meiner achtstündigen Reise.
Ausblick: Die nächste Etappe führt von Pelm über Rengen nach Schladt.

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