Nachruf Abschied von einem Trierer Original

Trier · Der langjährige Volksfreund-Fotograf Josef Tietzen ist im Alter von 85 Jahren gestorben.

 Mit Schalk im Nacken und immer fotografierbereit: So wird Josef Tietzen (1933-2019) in Erinnerung bleiben. Diese Aufnahme entstand kurz vor seinem 80. Geburtstag (30. August 2013).

Mit Schalk im Nacken und immer fotografierbereit: So wird Josef Tietzen (1933-2019) in Erinnerung bleiben. Diese Aufnahme entstand kurz vor seinem 80. Geburtstag (30. August 2013).

Foto: Roland Morgen

Drei Dinge brauchte der Mann: Kamera, handliche Alu-Leiter und das Herz am rechten Fleck. Das war – über ein gutes Auge hinaus – die Kombination, die eine echt trierische Fotografen-Legende ausmachte. Josef Tietzen eben, wie er leibte und lebte. Und Zeitgeschichte nicht nur mit der Kamera festhielt, sondern sie selbst verkörperte.

Als Fotograf des Trierischen Volksfreunds, der ihn 1966 dem (bis 1974 erschienenen) Konkurrenzblatt Trierische Landeszeitung abgeworben hatte, war er oft rund um die Uhr im Einsatz. In der Ära des TV-Verlegers Nikolaus Koch (1908-1982) und dessen Frau Luise (1907-1993) galten für den „Lichtbildner“ keine Arbeitszeit-Regelungen.

Oft kam Tietzen spät abends von einem langen Arbeitstag nach Hause, da klingelte das Telefon: „Schwerer Verkehrsunfall!“ Also wieder die schwere Kameratasche umgehängt und raus – um dann früh am nächste Morgen bei einem regulären Termin wieder auf der Matte zu stehen.

Was sich kein Kollege auf Dauer hätte bieten lassen, war für „Tietzens Jupp“, wie er landauf landab genannt wurde, der Normalfall. „Das liegt daran, dass ich meinen Beruf geliebt habe und sehr gerne für unsere Leser im Einsatz war“, sagte er einmal rückblickend.

Der Dauereinsatz im weiten TV-Verbreitungsgebiet und sein offenes Ohr für alle Anliegen machten den aus der Altstadt (Weberbach) stammenden Erz-Trierer zum gern gesehenen personifizierten Volksfreund.

Der, nicht immer freiwillig, selbst bei langweiligen Veranstaltungen (nahezu) kollektive Heiterkeit auslösen konnte. Nicht selten erschien Tietzen mit der eingangs erwähnten Klappleiter (und Schuhen mit quietschender Gummisohle), um besonders festliche Momente aus erhöhter Warte abzulichten – mit Ilford HP-Schwarzweißfilmen in der Kamera.

Der originellste überlieferte Stoßseufzer als Reaktion auf Tietzens unverwechselbaren, aber ungemein effektiven Arbeitsstil stammt vom damaligen Uni-Kanzler Ignaz Bender: „Mitten im Gewühle steigt er auf Leitern und Stühle. Ach brächt’ er uns doch nicht ins Schwitzen, sondern tät’ im Sitzen knipsen.“

Gleichwohl wollten hinterher alle Tietzens oft unverwechselbaren Fotos. So richtig böse sein konnte der  Frohnatur ohnehin niemand. Regelbestätigende Ausnahme: Schauspieler Curd Jürgens (1915-1982) fühlte sich bei einer Lesung in der Europahalle von Fotografen gestört und warf ein Buch nach Tietzen. Doch der war gar nicht der Missetäter.

Mit 65 ging „Mister Volksfreund“ 1998 in den Ruhestand, blieb dem TV und den Lesern aber noch fünf weitere Jahre als freier Mitarbeiter erhalten. Frühzeitig auf Digitaltechnik umgestiegen, fotografierte er als Rentner munter und mit Begeisterung weiter. „Die Region bietet doch so viele wunderbare Motive.“

Die persönlichen Lieblingsmotive bot ihm seine Heimatstadt, der er mit seinem schlicht „Trier“ betitelten und 2002 im Verlag Michael Weyand erschienenen Bildband eine überregional beachtete Liebeserklärung machte. Auch für die Buchreihe „Weißt Du noch?“ (ebenfalls Verlag Weyand), die historischen Ansichten aktuelle Motive gegenüberstellt, waren Tietzens Fotografierkünste (und nicht selten Ortskenntnis) gefragt.

Josef Tietzen, ein durch und durch sympathischer, gradliniger und (jenseits der Tretmühle des Tagesgeschäfts permanent) humorvoller Typ Marke „Trierer Original“ wäre eigentlich ein klassischer Kandidat für den begehrten Orden „Gegen den trierischen Ernst“ der Karnevalsgesellschaft Wieweler gewesen. Den bekam er nicht. Dafür aber 2009 eine Auszeichnung, die er selbst als „unverhofftes und wunderbares Geschenk“ betrachtete: den Ehrenbrief der Stadt Trier.

Als Dank und Anerkennung für, wie der damalige Oberbürgermeister Klaus Jensen betonte, „die langjährigen Verdienste, die Sie sich als Fotograf für Trier und die ganze Region erworben haben. Sie sind nicht nur Chronist. Sie sind ein außergewöhnlicher Botschafter und Werbeträger für unsere Stadt.“

Auch der Verein Trierisch wusste um den nachhaltigen Wert und die Bedeutung von Tietzens jahrzehntelangem fotografischen Schaffen und zeichnete ihn mit dem Dr.-Erich-Pies-Preis für Treverensien aus. Und wie reagierte der Geehrte? Er spendete den Großteil des Preisgeldes gleich weiter an den Denkmalrettungsverein Trier-Gesellschaft für dessen Projekt, den Frankenturm aus seinem Dornröschenschlaf zu holen und einen Veranstaltungsort  daraus zu machen.

In letzter Zeit war es merklich stiller geworden um den Wahl-Irscher, der sich „nie hätte träumen lassen, überhaupt mal 80 zu werden“, wie er zum letzten runden Geburtstag (2013) zu Protokoll gab. Der Besuch der Präsentation von Band II der „Trierer Geschichten“ von Alt-OB Helmut Schröer in der Stadtbibliothek vor vier Monaten war eine der seltenen Gelegenheiten, ihm noch einmal in der Öffentlichkeit zu begegnen. Das Herz spielte „nicht mehr so mit, wie ich will“. Zum Schluss kam eine Lungenentzündung hinzu. Kleiner Trost für seine  Frau Margret, die beiden Töchter und den Sohn samt Partnern, acht Enkel, zwei Urenkel sowie Freunde und Ex-Kollegen: Der „Jupp“ ist friedlich eingeschlafen, so wie er es immer gewollt hatte: „Ich habe in meinem Berufsleben etwa nach Unfällen oder Bränden so viel menschliches Leid gesehen, da wünsche ich mir, dass ich dereinst möglichst nichts mitbekomme vom Abschied-nehmen-Müssen.“

Das Sterbeamt für Josef Tietzen ist am Mittwoch, 30. Januar, 13 Uhr, in der Liebfrauen-Basilika; die Beerdigung anschließend im engsten Familienkreis.

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