Lebensraum Klassenzimmer

TRIER. Eigentlich könnten die Lehrkräfte der Ambrosius-Grundschule in Trier-Nord zufrieden sein: Seit zweieinhalb Jahren arbeiten sie an der einzigen Ganztagsschule der Stadt. Doch statt Zufriedenheit macht sich Frust breit unter den Pädagogen. Der Grund: Sie beklagen die akute Raumnot der Schule und fühlen sich von der Stadtverwaltung im Stich gelassen.

Im Vorzimmer zu Walter Mottls Büro stapeln sich die Kartons. "Wir sind gerade dabei, die Regale im Lehrerzimmer zu erneuern", erklärt der Schulleiter entschuldigend. Einen anderen Weg als durch das Lehrer- und Vorzimmer gebe es nicht, um zu seinem Büro zu gelangen. Der kaum mehr als 20 Quadratmeter große Raum wird von einem Schreibtisch, Regalen und einer kleinen Sitzecke ausgefüllt. "Wir sind fast ein Ghetto hier"

Doch um seine persönlichen Arbeitsbedingungen geht es Mottl gar nicht. "Wir bräuchten drei Räume zusätzlich für die Schulkinder", sagt er. Derzeit stünden für die acht Klassen der Grundschule zehn Räume zur Verfügung, wovon zwei als Computer- beziehungsweise Lehrmittelraum genutzt werden. Letzterer gibt kaum einen Blick auf den Boden frei, dicht an dicht drängen sich alte Schränke und eine Couchgarnitur. Hier finde der "Sozialunterricht" für Kinder mit besonderen schulischen Problemen statt, erläutert Mottl. Wie dramatisch die Raumsituation sei, versucht Mottl am Beispiel der Hauptschule anschaulich zu machen, die mit der Grundschule unter einem Dach untergebracht ist. Die Hauptschule habe bei der gleichen Anzahl von Klassen doppelt so viele Räume zur Verfügung - und sei damit keineswegs überversorgt. Deshalb wolle man auch keine Räume von der Hauptschule haben, sondern eine Verbesserung der Gesamtsituation durch die Stadt, betont Mottl. Seit der Umwandlung in eine Ganztagsschule fordert der Rektor nach eigenen Angaben mehr Platz, um dem erweiterten Lehr- und Lernangebot Rechnung tragen zu können. Lernen, spielen, Hausaufgaben machen - alles finde immer nur im Klassenzimmer statt. Die Raumsituation sei zu "einem frustrierenden Faktor" geworden, sagt Thomas Kürwitz, seit sechs Jahren Lehrer an der Ambrosius-Grundschule. Die sei "die am schlechtesten ausgestattete Ganztagsschule, die ich kenne", sagt Kürwitz, Moderator für die Ganztagsschulen in der Region Trier. "In anderen Städten sind solche Schulen oft Prestige-Objekte", so Kürwitz. Diesen Eindruck habe er in Trier nicht. Dabei ist das Ganztagsangebot nach Überzeugung der beiden Pädagogen gerade in einem Stadtteil wie Trier-Nord von großer Bedeutung. Fast 70 Prozent der Eltern lebten von Sozialhilfe, berichtet Mottl, einige hätten nicht einmal das Geld, die Kosten für das Mittagessen von 1,30 Euro am Tag zu bezahlen. "Wir sind fast ein Ghetto hier, die Lehrer machen auch viel Sozialarbeit", sagt Kürwitz. Um so wichtiger sei es, mit den Kindern auch nachmittags arbeiten zu können. Von den 141 Schülern der Grundschule besuchen 96 die Ganztagsschule. In derzeit 30 Arbeitsgemeinschaften - von Lesen über Musik und Basketball bis zu Tanz- und Theaterkursen - sollen den Schülern Chancen geboten werden, die ihnen sonst wohl verwehrt blieben. Die meisten Kurse müssten jedoch in den Klassenzimmern stattfinden, sagt Mottl, und die zugewiesenen Zeiten in der Schulturnhalle reichten nicht einmal aus, um den Sportunterricht durchzuführen. Bei der Stadtverwaltung kann man indes ein Raumproblem der Ambrosius-Grundschule nicht erkennen. Nach Ansicht von Schuldezernent Ulrich Holkenbrink (CDU) hat sich der Raummangel entschärft, seitdem der Schule im benachbarten Bürgerhaus, das derzeit umgebaut wird, drei Zimmer zur Verfügung stehen. Ein weiteres werde demnächst hinzukommen. Auch ein Kapazitätsproblem der Schulturnhalle besteht nach Holkenbrinks Meinung nicht. Zudem habe die Grundschule das Angebot, einen Teil des Sportunterrichts in der Arena Trier abzuhalten, nicht wahrgenommen.

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