Lederbeutel und Linsensuppe: Keltisches Leben in der Kaiserthermen-Palaestra

Trier · Die historische Spielstadt auf der Kaiserthermen-Palaestra feiert Jubiläum: Zum 25. Mal können Kinder dort in das Dorfleben alter Zeiten eintauchen – und bei Feinschmied, Heilerin, Druiden, Korbflechtern, Weberei oder Bäcker in die Lehre gehen.

Getrocknete Kamillie, Mädesüß, Pfefferminze, Johanniskraut und Rosmarin hängen in großen Büscheln von der Decke der Hütte der Heilerin. Nicht nur Salben stellt die Werkstattmeisterin daraus mit ihren jungen Lehrlingen her. Auch die kleinen Tiegel, in die die Balsame abgefüllt werden, müssen von den fleißigen Helfern erst produziert werden. Und zwar - ähnlich wohl wie im zweiten Jahrhundert vor Christus, als die Treverer Trier besiedelten - aus einfachen Mitteln: Mit Ton, ein bisschen Wasser und schlichten Werkzeugen aus Holz formen die Lehrlinge die kleinen Schalen.Vom Lehrling zum Hilfsmeister

Die keltische Apotheke ist eine von 15 Werkstätten der historischen Spielstadt, einem offenen, kostenlosen Ferienangebot für Kinder zwischen sechs und 14 Jahren (siehe Extra). Dabei geht es nicht nur darum, den Kindern Einblicke in antike Handwerkskunst zu geben, sondern auch ein Gefühl zu vermitteln, wie der Alltag des Keltenstamms der Treverer vor mehr als 2000 Jahren in Trier aussah.

Convictoliavis etwa ist zur Hütte der Heilerin gekommen, um in seiner Pause ein entspannendes Fußbad zu nehmen. Der 15-Jährige verbringt seinen Sommer zum sechsten Mal in der Spielstadt - erstmals allerdings nicht als Lehrling, sondern als Hilfsmeister in der Weberei. Mit dem Eintritt in den neuen Berufsstand hat Convictoliavis auch seinen bürgerlichen Namen Laszlo abgelegt. "An der Spielstadt gefällt mir gut, dass wir uns hier über die Jahre kennengelernt haben und eine richtige Gemeinschaft sind", sagt der junge Trierer.

Alle Werkstattmeister, Hilfsmeister und Mitarbeiter der Stadt schlüpfen nicht nur in altertümliche Gewänder, sondern auch in ihre historische Rolle mit entsprechenden Namen. Mit ihren Lehrlingen sprechen sie teilweise mit alten Redewendungen und überkommener Grammatik - was das Gefühl, sich in früherer Zeit zu bewegen, verstärkt.
Zur Simulation des keltischen Dorflebens gehört denn auch mehr als die Werkstätten. "Das sind die besten Kopftücher, die Sie im Dorf bekommen können!", preist Schneiderlehrling Estella eifrig ihr das von ihr genähte Kleidungsstück an. "Das Tuch ist auf jeden Fall seine vier Kupferlinge wert!", ruft das Mädchen. Im Dorf herrscht reger Handel. Fünf Kupferlinge pro Tag verdienen die Lehrlinge. Davon können sie Waren aus den anderen Werkstätten kaufen.

Philipp wirbt für den Lederbeutel, den er zusammen mit anderen Lehrlingen genäht hat. "Zuerst mussten wir Rechtecke aus Leder ausschneiden und für den Boden einen Kreis", berichtet Philipp. Das Zusammennähen des festen Leders sei gar nicht so einfach gewesen. "Wir haben eine Friemel benutzt, eine Art Schraubenzieher, auf den man hinten drauf haut, um die Nadel durchs Leder zu bekommen." Einen ganzen Tag Arbeit sei das gewesen, die sieben Kupferlinge für den Beutel daher absolut gerechtfertigt.

Sandra Rouhi von der Mobilen Spielaktion ist Projektleiterin der Historischen Spielstadt, die der Verein im Auftrag der Stadt Trier organisiert. Im keltischen Vicus ist die Pädagogin die Dorfälteste namens Fam. "Wir wollen den Kindern ein offenes Ferienprogramm anbieten, jeder kann kommen, so oft er will, und bleiben, so lange er will", sagt Rouhi. Finanziell gefördert wird die Spielstadt von der Stadt Trier, dem Land Rheinland-Pfalz und der Generaldirektion Kulturelles Erbe, die die Kaiserthermen im Auftrag des Landes verwaltet.
In der Feinschmiede ist derweil Werkstattmeisterin Ansotica sehr zufrieden mit ihren eifrigen Lehrlingen. Die Treverer seien schließlich geschickte Schmiede gewesen. "Und meine Lehrlinge hier erweisen sich dem Gewerk sehr ehrenvoll", lobt die junge Frau.

Aus getriebenen Metalldrähten und mit Hilfe von allerlei Zangen stellen die Lehrlinge hübsche Spangen her, die die altertümlichen Gewänder zusammenhalten können. Aber auch kunstvoll gedrehte Fingerringe gehören zur Produktpalette. Die neunjährige Niederländerin Jet, die mit ihren Eltern Urlaub an der Mosel macht, werkelt hoch konzentriert an einem Schmuckring. "Wir wollten eigentlich die Kaiserthermen besuchen, da hat meine Tochter das Dorf hier gesehen - und wollte unbedingt mitmachen", sagt ihre Mutter Nienke, "es ist eine tolle Aktion!"Fünf Fladen für drei Kupferlinge

Mittlerweile ist es Mittagszeit. "Brot ist fertig, Brot ist fertig!", schallt es durch die Gassen des Keltendorfs. Ruck-Zuck hat sich um den Bäckergesellen eine Traube aus Kindern gebildet, die von ihren Kupferlingen die kleinen Fladenbrote kaufen wollen - eins gibt's für einen Kupferling, fünf Fladen für drei Kupferlinge - der Handel floriert.
Außer dem Brot gibt es im Wirtshaus Linsensuppe, die eben auch ausschaut wie eine echte Linsensuppe. "Sieht nicht ganz so lecker aus", beschwert sich prompt einer der kleinen Lehrlinge. "Ist das ein angemessenes Gebahren?", rügt einer der Kochmeister sanft. Und schwupps taucht der kleine Lehrling brav seinen Holzlöffel in die Suppe und isst. Pommes und Ketchup gab's bei den Treverern eben noch nicht.?

Extra

 Emilia, Werkstattmeisterin Fam (Sandra Rouhi) und ihre kleine Tochter, Manuel und Jan (von links) kämmen in der Spinnerei der Historischen Spielstadt in der Kaiserthermen-Palaestra Schafwolle aus.

Emilia, Werkstattmeisterin Fam (Sandra Rouhi) und ihre kleine Tochter, Manuel und Jan (von links) kämmen in der Spinnerei der Historischen Spielstadt in der Kaiserthermen-Palaestra Schafwolle aus.

Foto: Christiane Wolff

Die Historische Spielstadt findet in diesem Jahr zum 25. Mal statt. Das Thema wechselt, mal wird ein römisches Dorf simuliert, mal mittelalterliches Leben oder - so wie in diesem Jahr - ein keltisches Vicus.
Die Pforte zum Dorf auf der Wiese neben den Kaiserthermen öffnet sich für Kinder von sechs bis 14 Jahren noch bis zum 26. August von montags bis freitags täglich um 10 Uhr und schließt sich um 16 Uhr. Der Zu- und Ausgang ist vom Palastgarten her zu erreichen.

120 Kinder können in den 15 Werkstätten aufgenommen werden. Neben Pädagogen des Vereins Mobile Spielaktion übernehmen Studenten - neben Pädagogen etwa auch Historiker - die Betreuung.

Das Angebot ist kostenlos, eine Anmeldung ist nicht notwendig. Die Kinder können, müssen aber nicht den kompletten Tag in der Spielstadt bleiben, und dürfen kommen und gehen, beziehungsweise gebracht und abgeholt werden, wann sie möchten. Eltern können sich allerdings nicht auf einen festen, täglichen Betreuungsplatz von 10 bis 16 Uhr verlassen. Bei starkem Regen öffnet die Spielstadt nicht beziehungsweise schließt früher.

Eltern, die noch feste Betreuungsplätze für ihre Kinder während der Ferien suchen, finden offene Plätze des städtischen Ferienangebots im Internet unter www.triki.de, Stichwort: Kurse und Freizeiten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort