Leitartikel am Tag nach der Amokfahrt in Trier Stille, Trost, Hilfe – Zusammen ist vieles einfacher

Meinung | Trier · Tag eins nach der Amokfahrt in der Trierer Innenstadt, die fünf Todesopfer gefordert hat. Heute dominieren Trauer und Leere. Wieso es gerade jetzt wichtig ist, gemeinsam durch diese Zeit zu gehen.

 Thomas Roth

Thomas Roth

Foto: TV/Friedemann Vetter

Trauer: Etwa tausend Menschen versammelten sich am Mittwochmorgen vor der Porta Nigra. Und das ohne größeren Aufruf, bewusst war die Gedenkveranstaltung nicht über alle Kanäle angekündigt worden. Doch Einwohnerinnen und Einwohner aus der gesamten Region suchten eines: den Zusammenhalt. Der Wunsch, sich an die fünf Opfer der Amokfahrt zu erinnern und ihnen zu gedenken, war groß. Und es war richtig, ihm nachzugeben, allen Corona-Einschränkungen zum Trotz. Zumal alle Anwesenden Masken trugen, sie größtenteils still waren – und damit die Ansteckungsgefahr gering gewesen sein sollte.

Leere: Noch immer ist es nicht möglich, das Geschehen vom Dienstag zu erklären, womöglich kann dies nie befriedigend erfolgen. Diese Leere ist verstörend. Warum kam es zu der Tat? Warum traf es diese Menschen? Es wird, so fürchte ich, keine Antworten darauf geben. Gerade jetzt wäre es wichtig, Nähe zulassen zu können. Den anderen in den Arm nehmen, trösten, zuhören – dies alles ist zurzeit erschwert. Wie muss es erst für diejenigen sein, die gerade Abschied von ihren Liebsten nehmen müssen?

Dankbarkeit: Und doch gab es gestern, bei aller Distanz, das Gefühl, vereint zu sein. Vereint in Ängsten und Sorgen, in Trauer, auch in Dankbarkeit. Nicht dankbar im Sinne von „Wir haben es überstanden“, sondern dankbar, weil die vielen Helferinnen und Helfer Großartiges geleistet haben und leisten. Oberbürgermeister Wolfram Leibe traf gestern behutsam und immer noch sichtlich ergriffen genau die richtigen Worte: „Trier trauert, Trier leidet – aber Trier resigniert nicht“.

Zuversicht? Es ist noch nicht die Zeit, weit nach vorne zu blicken. Am Donnerstag um 13.46 Uhr werden die Glocken läuten – und Trier wird still stehen. Weiter ist vor allem eines angesagt: die Angehörigen der Opfer zu unterstützen und darum zu bitten, dass diejenigen, die noch um ihre Leben kämpfen, siegen. Wir sollten dem Täter nicht zu großen Raum bieten. Und wir sollten daran erinnern, dass am Dienstag neben den hauptberuflichen und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern viele andere ebenfalls Mut bewiesen. Wolfram Leibe sagte uns in einem bewegenden Interview, dass es möglich sein werde, die Innenstadt nicht nur als Tatort zu sehen. Um jeden Menschen, der bei der Amokfahrt verletzt oder traumatisiert wurde, hätten sich schon vor dem Eintreffen der Einsatzkräfte andere gekümmert. Damit sei die Fußgängerzone auch ein Ort, an dem Menschen menschlich reagiert haben.

Gemeinsamkeit: Vielleicht ist es zu früh, um sich dies bewusst zu machen. Aber trotz der schrecklichen Ereignisse, die uns alle in der Region mehr oder weniger stark getroffen haben, gibt es etwas, was wir alle im Blick haben sollten. Zusammen ist vieles einfacher – das Verarbeiten fürchterlicher Tage, das Trauern, selbst das Schweigen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles Gute und Menschen, die bei Ihnen sind, wenn es schwierig ist.

t.roth@volksfreund.de

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