Lernen mit der Angelrute

TRIER. Üben für den großen Fang: Schüler der Treverer-Schule für Körperbehinderte lernen in einer Angel AG den Umgang mit Rute und Köder. Kein leichtes Unterfangen für die Kinder, die zum größten Teil an motorischen Störungen leiden. Am Mattheiser Weiher scheinen die kleinen Angler derweil unerwünscht.

Ein leises Surren und der Korken fliegt durch die Luft. "Der ist da dran, damit wir uns nicht verletzen können", sagt Marc und zeigt auf das andere Ende seiner Angelschnur: Kork als Köder - bei Trockenübungen wie dieser geht die Sicherheit vor. Und Anbeißen wird auf dem Schotterplatz ohnehin kein Fisch. Der achtjährige Marc und seine Mitschüler üben an diesem Mittag das Auswerfen. In Reih und Glied stehen sie am Spielfeldrand und lassen die Korken fliegen. "Herr Witzig, warum fliegt meiner denn immer gleich weit", ruft der elfjährige Leonard Hilfe suchend nach seinem Lehrer. Severines Schnur hat sich derweil mit der von Maren verheddert, was die beiden Schülerinnen auf eine kleine Geduldsprobe stellt. Was die Kinder üben, ist für sie in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung; schließlich leiden die Schüler an motorischen Störungen und besuchen deshalb eine Schule für Körperbehinderte. "Durch das Angeln trainieren die Kinder ihre Motorik - vor allem die Feinmotorik", erläutert Andreas Witzig. Der Sonderpädagoge, selbst passionierter Angler, hat die neue AG an der Treverer-Schule gegründet. Er will damit an ein Erfolgsprojekt anknüpfen, an dem er maßgeblichen Anteil hatte: An seiner früheren Schule in Ladenburg bei Heidelberg hatte Witzig Dutzende seiner Schützlinge ins Anglerlatein eingeführt. Mit enormem Erfolg, wie nicht nur zahlreiche Auszeichnungen belegen, die Witzig und sein Anglernachwuchs damals an Land zogen. Darunter ein bundesweiter Förderpreis im Rahmen des Wettbewerbs "Stille Sieger". Daran hatten sich rund 850 weitere Projekte beteiligt. Witzig verfolgt ein ambitioniertes Ziel: Er will den Kindern eine Perspektive für die Zeit nach der Schule eröffnen. "Weil viele Menschen mit Beeinträchtigungen auf dem Arbeitsmarkt keine Chance haben, sollten sie zumindest ein Hobby haben, dass sie allein oder in Gemeinschaft ausüben können", sagt Witzig. "Sie sollen nicht auch noch privat ins Abseits geraten", warnt der Lehrer. Dass Angler Einzelgänger sind, ist für den Lehrer ohnehin nur ein Klischee. So will er mit seiner AG auch das Sozialverhalten der Kinder untereinander fördern. Wahrnehmung und Konzentration werden ebenso geschult, denn was schon jeden Angler auf die Probe stellt, ist für Kinder mit körperlichen und oft auch kognitiven Beeinträchtigungen eine Herausforderung sondermaßen: zu erkennen, wann denn ein Fisch angebissen haben könnte. Dass Unruhe am Wasser den Fangerfolg nicht eben fördert, hätten die Kinder verinnerlicht, berichtet Witzig. Ohnehin ist das Angeln nicht für alle Schüler Neuland: Severine zum Beispiel hat schon des öfteren bei ihrer Oma in Frankreich den ein oder anderen großen Fang gemacht: Karpfen, Zander und Forellen - für Severine ungenießbare Erfolge, denn "ich esse keinen Fisch". Marc ist da wählerischer und lässt sich schon mal einen Lachs schmecken. Dass er den Feinkostfisch hierzulande nicht an den Haken bekommen wird, hat der Junge bereits gelernt. Auch im fünf Fußminuten von der Treverer-Schule entfernten Mattheiser Weiher nicht, doch dort scheinen Maren, Marc und ihre Mitschülerin ohnehin unerwünscht.Verbannung ohne Begründung

Kurz und knapp teilte der pachtende Angelverein aus dem Trierer Süden ihrem Lehrer mit, dass er "keine Möglichkeit" für die Schülergruppe sehe, an "unserem Vereinsgewässer das Thema Angeln einzuüben". Eine Begründung nennt der Vorsitzende in dem Schreiben nicht, stellt aber klar: "Auch weitere Diskussionen würden keinen anderen Standpunkt herbei führen. Petri-Heil!" Was brennt Ihnen auf den Nägeln? Schildern Sie uns Ihr Problem auf maximal einer Din-A-4-Seite und schicken Sie es als Brief an: Trierischer Volksfreund, Stichwort: " TV bringt's voran”, Hanns-Martin-Schleyerstraße 8, 54294 Trier, oder als E-Mail an: thema@volksfreund.de. Der TV bringt ihr Thema voran.

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