Letzte Runde in der Fetzenkneipe

Trier · Es ist das letzte Mal, das die Kneipe Fetzenreich ihre Gäste mit ihrem Charme verzaubert. 120 Gäste sind in die rustikalen Kellergewölbe gekommen, um die Schließung der Bar mit Anekdoten, Live-Musik und Gesprächen zu füllen. Als dienstältestes Mitglied war Sylvia "Mutti" Kremer so berührt von dem Abend und ließ ihren Tränen schließlich freien Lauf.

 Letzte Runde: Das Kneipen-Team verbreitet gute Stimmung und steht bis zum bitteren Ende hinter der Theke. TV-Foto: Cenk Cigdem

Letzte Runde: Das Kneipen-Team verbreitet gute Stimmung und steht bis zum bitteren Ende hinter der Theke. TV-Foto: Cenk Cigdem

Trier. Der Feierabend ist seit Bestehen der Kneipe Fetzenreich, also seit 40 Jahren, der Höhepunkt für viele Trierer Studenten. Diesmal ist es auch der Schlusspunkt, denn die älteste Studentenkneipe schließt ihre Türen.
Damit endet für viele Studenten eine Ära, die für sie eine unvergleichliche Gemeinschaft bedeutet hat. Denn die Gäste sind zusammen mit ihrer Kneipe älter geworden. Zum Abschied sind 120 Gäste am Samstagabend in das Lokal in der Sichelstraße zusammengekommen und feierten zu Musik der Stammband "Emma Pie", Bier und Kickerturnieren.
Jeder, der das Gewölbe betrittt, steuert eine Anekdote aus vergangener Zeit bei und stößt an der Theke auf den Abend an. Von Abschied keine Spur. "Realisieren werden wir es erst Tage danach", sagt Diplom-Pädagoge Stefan Mielke (31), der zum engen Kreis gehört. 2004 war er neben seinem Studium Teamleiter an der Bar: "Manchmal hat man hier mehr gearbeitet als studiert. Dann gab es Phasen, wo man hier mehr studiert hat als zu arbeiten."
Das bestätigt auch Nachfolgerin Leonie Schlegel. 2011 übernahm sie die Leitung und möchte der Bar nun ein würdiges Ende verschaffen: "Es war eine schöne Zeit, für die wir alle sehr dankbar sind." Es werde eine wichtige Anlaufstation geschlossen, die für die Trierer Jugendkultur wichtig sei, beschreibt Besucher Thomas Szabo das Empfinden vieler Gäste an diesem Abend.
Auch sichtlich getroffen von der Schließung ist Sylvia Kremer (38), die am Ende in Tränen ausbricht. Die Lehrerin (Englisch und Erdkunde) nennt die Gemeinschaft als ihr längstes Mitglied liebevoll "Mutti". 1997 stand sie als Studentin zehn Jahre hinter der Theke: "Ich habe hier viele Menschen gesehen. Ohne Zuhause, mit Prüfungsstress oder Menschen, die einfach nur ein nettes Gespräch suchten. Für viele war die Kneipe ein Zuhause, und das ist jetzt weg", sagt sie.
Grund für die Beendigung ist der Sparkurs der bischöflichen Finanzplaner. Die gesamte Katholische Hochschulgemeinde (KHG), die die Kneipe Fetzenreich betreibt, sollte geschlossen werden.
Die Kürzung der Pastoral-Stelle sei ein zusätzlicher Punkt zur Schließung der Kneipe, wie Pastoralreferentin Kirsten Denker-Burr sagt,, die sowohl der Kneipe als auch dem Fetzen-Café an der Uni zugewiesen ist.
Allerdings: Ohne Pastor keine Seelsorge. Wofür der Keller künftig genutzt wird, sei unklar. Doch er müsse schließen, "damit die KHG weiter bestehen kann", erläutert sie.
Extra

Die Fetzen-Kneipe ist im Untergeschoss von Haus Fetzenreich in der Sichelstraße beim Rindertanzplatz. Der Name Fetzenreich kommt vom ehemaligen Besitzer des Hauses: Der Trierer Schöffe Bonifacius - im Trierer Dialekt "Fetz" genannt - war im 13. Jahrhundert Eigentümer des stattlichen Renaissance-Palastes mitten in der Stadt. Sein Beiname "der Reiche" führte später zum Namen "Fetzenreich". Die Kneipe ist in der ehemaligen Küche des Gebäudes untergebracht. An der Universität führt die KHG zusätzlich ein Café, das Fetzen-Café. cig

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