Letzte Zeilen für die Wand

Wie viele Wortspiele bleiben beim flüchtigen Lesen unentdeckt? Wie viele zarte Anspielungen kauern zwischen den Zeilen und Silben? Vielleicht hier, vielleicht auf der nächsten Seite. Auch anderswo, ganz sicher.

Beantworten kann ich das zwar nicht. Aber auf den Fragenkatalog kam ich neulich - und hiermit senke ich aus gegebenem Anlass das Niveau - auf der Toilette. Ich war zu Besuch in England, Gast in einer Zweier-WG.

Glauben Sie mir, ich habe in Gäste-WCs schon viel Elend gesehen: Kleine Seifenstücke in Herzform, Mini-Handtücher mit süßen Kätzchen drauf oder Klopapier, das mit Toni-Polster-Sprüchen bedruckt ist.

Aber ich habe noch nie gesehen, dass eine Zeitungskolumne gerahmt in einem WC hängt. Zudem noch in dem des Autors. Es ging darin um zwei hierzulande herzlich unbekannte walisische Fußballteams. Ich las, grübelte und fragte mich: Warum hängt dieser eher brave Artikel hier? Warum hat er so viele unnötige Absätze? Werden britische Autoren. Pro. Satz. Bezahlt?

Das könnte ja sein. Ich kam nicht selbst auf die Antwort. "Ach, der Artikel im Bad? Das war die letzte Kolumne von John, bevor er flog", klärte mich der Mitbewohner auf: "Lies einfach nur die Anfangsbuchstaben der einzelnen Absätze hintereinander, dann weißt du, warum."

Und ich ging zurück zur Toilette und entzifferte nach und nach, was mir der Dschungel der Buchstaben vorenthalten hatte: "Fuck off, you twats", dechiff rierte ich. Zielsicher gerichtet an die Fans des beim Autor weniger beliebten Vereins.

Gar nicht nett. Das kann ich in unserer Familienzeitung leider nicht übersetzen und auch nicht als Grußwort für den nächsten England-Urlaub empfehlen.

Und nebenbei: Hier im Text verbirgt sich nur die deutsche Schreibweise einer afrikanischen Stadt. Reiner Zufall, wie so vieles im Leben. Aber "Guten Morgen, liebe aufmerksame Leser" habe ich versteckt wirklich nicht unterbekommen.

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