Leuchtende Gebete auf der Leinwand

Ein ereignisreiches Jahrhundert liegt hinter Ursula Dietzsch-Kluth. Als freischaffende Grafikerin tätig, bot sie den Nazis die Stirn und machte sich in den Nachkriegsjahren auch als freie Malerin einen Namen.

 Grafikerin, Malerin, mutige Frau: Ursula Dietzsch-Kluth mit Mitarbeiterinnen der Residenz am Zuckerberg. TV-Foto: Dorothee Quaré

Grafikerin, Malerin, mutige Frau: Ursula Dietzsch-Kluth mit Mitarbeiterinnen der Residenz am Zuckerberg. TV-Foto: Dorothee Quaré

Trier/Bitburg. (DQ) "Zwei Weltkriege habe ich erlebt, zwei Hungersnöte und drei Inflationen - gemischt mit vielen guten Freunden und schönen Stunden." So blickt Ursula Dietzsch-Kluth auf die 100 Jahre ihres Lebens zurück. Ihren Ehrentag feiert die seit einem Jahr in der Residenz am Zuckerberg lebende Dame heute mit zahlreichen Verwandten, darunter ihrem Sohn Michael Dietzsch, der viele Jahre lang Vorsitzender der Geschäftsführung der Bitburger Brauerei war, zwei Enkelinnen und zwei Urenkeln.

Geboren wurde Ursula Dietzsch-Kluth in Berlin. "Es war eine wunderbare Kindheit, zumindest für kurze Zeit", sagt sie. An ein Ereignis erinnert sie sich lebhaft: "Ich wurde zur letzten Kaiserparade gezerrt, ich habe nur Pferdebeine gesehen."

Ihr Talent hat Ursula Dietzsch-Kluth bereits früh entdeckt. "Ich war fünf Jahre alt, als ich mit dem Malkasten rausgelaufen bin, um den Schnee anzumalen", berichtet sie lachend. Im Alter von zehn Jahren kam sie nach Köln. Ein halbes Jahr vor ihrem Abitur erklärte der Schuldirektor ihrem Vater: "Frauen bekommen sowieso keine Stellung. Ihre Tochter kann so gut malen und zeichnen - lassen Sie sie auf die Kölner Kunstschule gehen!" Nach ihrem erfolgreichen Abschluss im Jahr 1931 gewann sie den ersten Preis in einem Kunstwettbewerb - 250 Mark. Ursula Dietzsch-Kluth zog für drei Jahre nach Paris, wo sie an der Abendakademie studierte und etwa als Modezeichnerin tätig war.

Zurück in Köln, sollte sie für den "Westdeutschen Beobachter" der Nazis zeichnen, da sie unter anderem erfolgreich für den "Kölner Stadtanzeiger" tätig war. "Ich war nie auf den Mund gefallen", sagt Ursula Dietzsch-Kluth. "Sie drohten mir, ich dürfte sonst nicht ausstellen, da habe ich ihnen gesagt, 'dann warte ich eben, bis Ihr 1000-jähriges Reich zu Ende geht'."

Nach dem Krieg, den sie mit ihrem Sohn auf einem Bauernhof in Bayern verbrachte, arbeitete sie wieder in Köln als freischaffende Zeichnerin, Grafikerin und Kunsterzieherin. Sie schuf Theaterzeichnungen und Buchillustrationen und war Gastdozentin in Aachen. Als freie Malerin hatte sie Ausstellungen in ganz Deutschland sowie weltweit. Gemälde von ihr hängen etwa im Bitburger Rathaus und in der Bibliothek, aber auch in Kölner Museen. "Sehr gerne habe ich Stillleben gemalt", sagt Ursula Dietzsch-Kluth. "In ein Stillleben kann man wie in ein Gebet alles hineinlegen."

Die rüstige 100-Jährige resümiert: "Ich habe immer wieder Glück gehabt in meinem Leben. Den vielen hilfsbereiten Menschen, die ich kennenlernen durfte, bin ich sehr dankbar."

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