Reaktionen auf Aktion in Trier Das ist ein Grund, warum auch Frauen Till Lindemann verteidigen

Trier · Nach ihrer Forderung, das Solo-Konzert des Rammstein-Sängers in Trier abzusagen, haben die Feministische Vernetzung Trier und der Frauennotruf kritische Kommentare und Nachrichten bekommen – bei weitem nicht nur von Männern. Eine mögliche Erklärung dafür überrascht.

Till Lindemann, Frontsänger der Band Rammstein, steht im Rahmen der Deutschland-Tournee in Düsseldorf auf der Bühne. Im November soll der 60-Jährige ein Solo-Konzert in Trier geben.

Till Lindemann, Frontsänger der Band Rammstein, steht im Rahmen der Deutschland-Tournee in Düsseldorf auf der Bühne. Im November soll der 60-Jährige ein Solo-Konzert in Trier geben.

Foto: dpa/Malte Krudewig

„Ihr geht mir so auf die Eierstöcke mit eurer medialen Hexenjagd, das ist nicht mehr mit Worten zu beschreiben.“ Oder: „Und auch wenn die Betroffenen nicht lügen, ist es aktuell noch üble Nachrede, es gibt nämlich noch kein rechtskräftiges Urteil bisher. Und wird es auch nicht geben denke ich. Die üble Nachrede allerdings bleibt.“ Oder: „Als reinrassige deutsche kann ich ja wohl hier meine meinung sagen, ihr untervögelten weibsbilder.“

Absage von Lindemann-Konzert in Trier gefordert – kritische Kommentare und E-Mails

Solche und ähnliche Kommentare in den Sozialen Medien oder per E-Mail bekommen die Feministische Vernetzung Trier und auch der Frauennotruf in letzter Zeit. Der Grund: Sie fordern die Absage des Konzerts von Till Lindemann in der Arena, und die Feministische Vernetzung hat eine E-Mail-Aktion dagegen gestartet.

„Es werden zum Beispiel Rufmord oder üble Nachrede vorgeworfen, und wir haben einiges an umgekehrten Schuldzuweisungen“, berichtet Ella (Name geändert) von der Feministischen Vernetzung. Gemeint ist damit: Die Kommentierenden beschuldigen eher die Frauen, die dem Sänger unter anderem sexualisierte Gewalt vorwerfen, als Till Lindemann selbst. Man spricht in dem Zusammenhang auch von Täter-Opfer-Umkehr, wobei Lindemann rechtlich gesehen nicht als Täter bezeichnet werden darf. Denn rechtskräftig verurteilt ist der Rammstein-Sänger nicht.

Auch Frauen stehen auf der Seite des Rammstein-Sängers Till Lindemann

Man könnte meinen, es seien vor allem Männer, die den 60-Jährigen verteidigen. Falsch gedacht: Etwa die Hälfte derjenigen, die bei der Feministischen Vernetzung kommentieren und deren Geschlecht man erkennen kann, sind weiblich, schätzt Ella.

Eine Beobachtung, die Ruth Petri vom Frauennotruf ebenfalls macht. „Es gibt auch Frauen, die sich melden“, berichtet sie. Diese schreiben zum Beispiel, dass die laut eigener Aussage Betroffenen „ja mitgegangen sind“ – argumentieren also, die Frauen hätten sich falsch verhalten.

„Das geschieht vielleicht auch aus Selbstschutz“, vermutet Petri. Also nach dem Motto: Wenn ich mich genau richtig verhalte und plane, was ich mache, passiert mir nichts – im Gegensatz zu den Frauen, die das eben nicht getan haben. Aber das stimme nicht, sagt Petri auf Nachfrage. Zum anderen werde die Schuld auf mögliche Opfer verschoben.

Lindemann-Skandal als Anlass, das Tabu-Thema sexualisierte Gewalt in die Öffentlichkeit zu bringen

Eines betont Ruth Petri aber: Viele Reaktionen sind vor allem sachlich und drehen sich eher um die rechtliche Komponente, dass auch für Lindemann die Unschuldsvermutung gelte, bis er rechtskräftig verurteilt sei.

Es gehe dem Frauennotruf aber gar nicht vorrangig um den strafrechtlichen Bereich, sagt Petri. Man wolle die sexistischen Strukturen und das Machtgefälle zeigen, die hinter den mutmaßlichen Vorfällen stecken. Und es gehe generell darum, das Tabu-Thema sexualisierte Gewalt in die Öffentlichkeit zu bringen.

Die Vorwürfe gegen Lindemann seien ein Anlass, auf die Musikbranche allgemein zu blicken, erklärt Petri. Wobei sexualisierte Gewalt natürlich nicht nur auf Konzerten und Afterpartys geschehe, sagt sie, „sondern auch in Trier zum Beispiel in Clubs, Kneipen oder in der Altstadt.“ Überall und immer wieder.

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