Literarische Visite im Reich der Toten

TRIER. Passend zur herbstlichen Jahreszeit widmet sich ein außergewöhnlicher literarisch-historischer Rundgang der Geschichte des Trierer Hauptfriedhofs. Als Reiseführer fungiert am 3. September der Schauspieler Peter Singer.

 Ein markanter Zielpunkt bei der Spurensuche auf dem Hauptfriedhof: Das Familiengrab des früheren Oberbürgermeisters Recking. Foto: Sandra Ost

Ein markanter Zielpunkt bei der Spurensuche auf dem Hauptfriedhof: Das Familiengrab des früheren Oberbürgermeisters Recking. Foto: Sandra Ost

Knapp 200 Jahre ist der Trierer Hauptfriedhof alt. Und die Gräber sind eine wahre Fundgrube für die Geschichte der Stadt - und für die Geschichten, die sich darum ranken. Im Trierer Grünflächenamt entstand die Idee, das Potenzial des eindrucksvollen Gräberfeldes für eine ungewöhnliche Aktion zu nutzen. "Wir wollten mal was anderes machen", erzählt Amtsleiter Franz Kalck. Die Friedhofs-Gestalter fanden einen künstlerischen Partner, der sich in das Projekt hineinkniete: den Schauspieler Peter Singer vom Trierer Theater. Der bekennende Begräbnisstätten-Bewunderer ("Ich liebe es, über alte Friedhöfe zu laufen") ging zunächst einmal bei einer traditionellen Führung mit und bat sich dann Bedenkzeit aus. Er wälzte Bücher über die historischen Trierer Persönlichkeiten, arbeitete sich ins Thema hinein und hatte sich irgendwann "einfach an der Sache festgefressen". Sein Theater-Kollege und passionierter Trier-Kenner HD Schmitt fungierte als Pfadfinder, und heraus kam ein literarisch-historischer Rundgang unter dem Titel "Lebensspuren".Lebensspuren Trierer Persönlichkeiten

Singers Konzept verkoppelt drei unterschiedliche Ebenen. Da sind zunächst berühmte Figuren der Trierer Stadtgeschichte, von den Oberbürgermeistern Recking und Haw über die Fabrikanten Schaab und Rautenstrauch, dem Sozialreformer Gall, der Dichterin Gertrud Schloss bis zum Oberschalk Franz Weißebach. Der Rundgang stellt sie in den historischen Kontext ihrer Zeit, spiegelt sie mit Texten zur jeweiligen gesellschaftlichen Lage in der Stadt. Und der literarisch versierte Schauspieler kontrastiert sie darüber hinaus mit passenden Dichterworten. So findet sich am Grab des Weingutsbesitzers, Freimaurers und "Moselkönigs" Matthias Josef Hayn ein Text des "Logenbruders" Mozart. An Peter Lambert erinnert Oscar Wildes "Die Nachtigall und die Rose", an Erich Süsskind Paul Celans "Todesfuge". Auch Gedichte und Prosa von Lessing, Andres, Rilke, Hölderlin, Bergengruen, Enzensberger, Tucholsky, Roth, Brod und Ende hat Singer in sein Programm aufgenommen. Auf den verschlungenen Wegen über den Hauptfriedhof streift der Rundgang neben persönlichen Grabstätten auch das Kriegerdenkmal, den Jüdischen Friedhof und die Leichenhalle. "Ich bin ja kein Historiker", betont Peter Singer. Aber das Thema habe ihn "regelrecht hineingezogen". Er habe in der Zusammenstellung vor allem versucht, "nicht kitschig zu sein und trotzdem die Atmosphäre der Grabstätten und die geschichtlichen Zusammenhänge der dort begrabenen Persönlichkeiten zu treffen". Der Ausflug in das "geheimnisvolle Land des Todes", wie es in der offiziellen Einladung heißt, hat mit dem "Tag des Friedhofs" am 3. September einen passenden Rahmen gefunden. Um 10 Uhr und um 15 Uhr macht sich Peter Singer von der "Alten Halle" am Eingang Herzogenbuscher Straße aus auf die Suche nach den "Lebensspuren". Für ein angemessenes Rahmenprogramm sorgt um 11.30 Uhr des Gospelchor "Effata". Der Eintritt ist frei.

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