Machtwechsel in Trier: Ampel steht auf Start

Trier · Grünes Licht für ein Ampel-Bündnis im Stadtrat: SPD, FDP und die Grünen wollen gemeinsam "neue Mehrheiten für die Gestaltung der Stadtpolitik finden", teilte SPD-Fraktions-Chef Sven Teuber am Samstag mit. Teubers Wortwahl lässt den Schluss zu, dass die bisher als Zielvorstellung gehandelte Ampel zur Realität werden wird. Das wäre ein grundlegender Machtwechsel im Rat.

 Wollen mit ihren Parteien im Stadtrat über ein Ampel-Bündnis verhandeln (von oben): die Fraktionsvorsitzenden Sven Teuber (SPD), Thomas Egger (FDP) und Anja Matatko (Die Grünen).Fotos: Friedemann Vetter, Christiane Wolff, privat, TV-Grafik: TMVG

Wollen mit ihren Parteien im Stadtrat über ein Ampel-Bündnis verhandeln (von oben): die Fraktionsvorsitzenden Sven Teuber (SPD), Thomas Egger (FDP) und Anja Matatko (Die Grünen).Fotos: Friedemann Vetter, Christiane Wolff, privat, TV-Grafik: TMVG

Trier. Die Ereignisse überschlagen sich in der Trierer Polit-Szene. Die Linke verlor aufgrund von internen Machtkämpfen beinahe ihren Fraktionsstatus, die FDP ließ am Freitagabend ihren stellvertretenden Kreisvorsitzenden Karl-Josef Gilles recht brutal bei seiner Wiederwahl scheitern (der TV berichtete). Den Abschluss dieser turbulenten Woche lieferte am Samstag Sven Teuber, dessen SPD mit vier neu gewonnenen Rats-Sitzen Anrecht auf den Titel des Kommunalwahl-Siegers 2009 hat. Teuber verkündete: "In den nächsten Wochen werden FDP, Grüne und SPD konkret über ein Bündnis verhandeln, welches mit neuer Kraft die Trierer Stadtpolitik bei zentralen Themen maßgeblich prägen möchte."

Teuber: Neuer Rat könnte alte Zöpfe abschneiden



Die neue Macht im Trierer Rat trägt dann die Farben Rot, Gelb und Grün. Zusammen haben SPD (15 Sitze), die Grünen (10) und die FDP (4) mit 29 Stimmen die absolute Mehrheit im 56 Sitze umfassenden Stadtrat. Die ehemalige Großmacht aus mittlerweile vergangenen Zeiten - CDU (19) und UBM (5) - käme auch dann nur auf 27 Stimmen, wenn sie sich mit der Linken (2) und der NPD (1) verbünden würde. "Eher friert die Hölle zu", sagte dazu gestern ein Mitglied der CDU-Ratsfraktion. Die Regierung durch ein Ampel-Bündnis stand als mathematische Theorie natürlich schon seit der Verkündung des amtlichen Wahlergebnisses im Raum und hat die Verhandlung zwischen den Fraktionen in den vergangenen Wochen maßgeblich geprägt. Grüne und SPD hatten bereits früh den Willen zur Zusammenarbeit bekundet und eine deutliche Distanz zur CDU hergestellt, die ihrerseits die Ampel und den damit verbundenen Machtverlust kommen sah. Doch die FDP hielt sich lange bedeckt. "Sollte es zu einer Ampel kommen, müssen wir weiterhin als eigenständige Kraft wahrnehmbar sein", hatte FDP-Chef Thomas Egger im Vorfeld betont.

Die Liberalen hoben sich ihre Entscheidung, ein Ampel-Bündnis in Erwägung zu ziehen, für ihren Kreisparteitag am Freitagabend auf. Die Abstrafung von Karl-Josef Gilles und auch die vier Nein-Stimmen gegen Thomas Egger bei der Wiederwahl zum Kreisvorsitzenden zeigen klar, dass die Vorstellung einer formellen Zusammenarbeit mit der SPD und den Grünen intern auf Widerstände stößt. Schon melden sich Stimmen aus der CDU, die daraus ableiten, es gebe genug Abweichler, die eine Ampel-Mehrheit verhindern würden. Doch Sven Teubers Erklärung vom Samstag klingt nicht nach der Befürchtung, die Ampel könne ständig von Abweichlern torpediert werden.

"Mit diesem Bündnis würde im Gegensatz zu den informellen Absprachen anderer Fraktionen im alten Stadtrat ein offener und transparenter Weg beschritten", sagt Teuber und meint damit den alten Block aus CDU und UBM. "Der neue Rat hat jetzt die Chance, alte Zöpfe abzuschneiden und im neuen Stil einer offenen Kommunikation miteinander Sachpolitik zu betreiben. Die Verhandlungspartner wollen in den zentralen kommunalpolitischen Feldern dauerhafte Vereinbarungen für die neue Wahlperiode treffen."

Zu diesen "zentralen kommunalpolitischen Feldern" gehört auch die im Herbst anstehende Wahl zweier Dezernenten. Georg Bernarding und Ulrich Holkenbrink, beides Christdemokraten, treten zur Wiederwahl an. Der Stadtrat entscheidet, und eine Ampel wird die CDU-Kandidaten mit Sicherheit nicht geschlossen unterstützen. Es wird sich eher die Frage stellen, ob die FDP-Fraktion geschlossen mit der Ampel stimmt. Wenn das geschieht, sind beide CDU-Dezernenten Geschichte.

Thomas Egger selbst gilt als Anwärter auf ein neu zu schaffendes Wirtschaftsdezernat. Die zweite Position machen SPD und die Grünen unter sich aus. Offen ist dabei nur die Frage, ob die Sozialdemokraten dem kleineren Bündnispartner diese wichtige Rolle überlassen oder wieder selbst in den Stadtvorstand einziehen wollen.
Meinung: So läuft das in der Politik
Von Jörg Pistorius
Politik ist ein hartes Geschäft, aber eine bestimmte Härte ist vertretbar und sogar notwendig. Die Machtverteilung im neuen Rat hing an der Frage, wie die FDP sich entscheidet. Die Christdemokraten mögen die Bereitschaft der Liberalen, ein Bündnis mit der SPD und den Grünen einzugehen, als Verrat betrachten, aber das ist Unsinn. Der Wähler hat CDU und UBM die Rolle der Machthaber genommen, und diese Entscheidung müssen beide Fraktionen akzeptieren – auch wenn die neue Mehrheit in Zukunft auf der anderen Seite des Sitzungssaals am Augustinerhof zu finden ist.
Es ist in dieser Situation weder verwunderlich noch moralisch fragwürdig, wenn Thomas Egger, basierend auf der wichtigen Rolle seiner kleinen Fraktion, Ansprüche auf einen Dezernentenposten anmeldet. So läuft das politische Geschäft nun mal, und so lief es schon immer.
j.pistorius@volksfreund.de

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