Männer, die den Dreh heraushaben

Ernst Jelen ist seit über 30 Jahren Sippenbruder im Spießbratenclub Trier. Der 78-Jährige schätzt sowohl die Atmosphäre unter Männern als auch einen gut zubereiteten Braten. Am gestrigen Montag feierte der Verein seinen 110. Geburtstag.

 Jeden ersten Montag im Monat freut sich Ernst Jelen beim Betreten des Vereinslokals. Denn dort wartet ein guter Braten mit Soße auf ihn.TV-Foto: Manuel Beh

Jeden ersten Montag im Monat freut sich Ernst Jelen beim Betreten des Vereinslokals. Denn dort wartet ein guter Braten mit Soße auf ihn.TV-Foto: Manuel Beh

Foto: (h_st )

Wir sind ein Verein mit 24 Vorstandsmitgliedern sowie einem einzigen Mitglied - und das bin ich. Der Spießbratenclub ist kein normaler Verein, sondern eine Parodie auf die Vereinsmeierei. Als er 1905 im Ruwerer Gasthof von der Laar gegründet wurde, protokollierte mein Großvater die Regularien, die heute immer noch streng eingehalten werden.TV-Serie Mein Verein


Die Mitgliederzahl ist begrenzt, wobei nach dem Tod eines Sippenbruders ein neuer aufgenommen wird. Dabei muss der Anwärter eine einjährige Probezeit absolvieren. Wir achten darauf, ob er sich gut benehmen kann, dass er nicht angibt, aber gesellig ist. Uns ist völlig egal, welchen Beruf dieser ausübt und ob er einen Titel vorweisen kann. Es gilt: Jeder anständige Mann ist gern gesehen.
Jeden ersten Montag im Monat treffen wir uns im Weinhaus Becker in Olewig zu zwei Scheiben Spießbraten mit Soße. Immer zwei Mitglieder sind für die Zubereitung der Mahlzeit zuständig. Dabei hat jedes Team den Ehrgeiz, den besten Braten und die beste Soße zu zaubern.
Es geht sogar so weit, dass Sippenbrüder verwendete Weinflaschen mit Papier abkleben, die sie zum Übergießen des Fleisches verwendet haben. So ist es niemandem möglich, ihr Geheimnis zu erfahren. Zubereitet wird auf einem extra angefertigten Gasgrill. Manche Sippenbrüder haben lautstark gegen die Abschaffung der Holzkohle protestiert, aber geschmacklich ist kein Unterschied festzustellen.
Unter Leitung des Sippenvaters sorgt ein Vorstandsmitglied für die Einhaltung der Regularien. Der fertige Braten wird feierlich mit der Clubstandarte hineingetragen und vom Bratenaufschneider gerecht verteilt - und wehe ein Stück ist kleiner als das der anderen! Nach dem Verzehr folgt die Bratenkritik. Zwei Vorstandsmitglieder, die Intriganten, bewerten die Mahlzeit. Dabei geht es teilweise hart zu, wenn etwas mit Braten und Soße nicht stimmt. Dies geschieht aber immer auf eine lustige Art, niemand soll beleidigt oder gar verletzt werden.
Rund 9,5 Tonnen Roastbeef wurden über die Jahre hinweg verzehrt. Leid bin ich den Braten noch lange nicht - im Gegenteil, ich freue mich immer auf den nächsten. Für mich muss der perfekte Spießbraten außen knus prig und innen nicht ganz durch sein. Bei der Soße ist es wichtig, dass sie nicht zu fettig ist.
Frauen nehmen an unseren Treffen nicht teil, wie unsere Clubhymne begründet: ,Frauen lassen wir zu Haus\', die Erfahrung lehrt: Die Gemütlichkeit ist aus, wenn die Frau uns stört.\' Nur alle fünf Jahre bei unseren Jubiläen sind unsere Frauen mit eingeladen.
Ich denke, Trier braucht solche urigen Vereine wie den Spießbratenclub, die den Wert auf die Menschen und die Tradition legen. Bei uns sitzt Handwerker neben Jurist und Bürokaufmann neben Rentner: So erfahre ich immer das Neuste aus anderen Bereichen und kann mich austauschen. Doch den Höhepunkt des Abends beschreibt die zweite Strophe der Clubhymne am besten: ,Gleich verstummt der Worte Schwall, schlemmen wir mit Lust, in dem schön gedeckten Saal, stolz und fleischbewusst.\'"
Aufgezeichnet von Manuel Beh

Weitere Infos unter: www.spiessbratenclub.deExtra

Der Spießbratenclub Trier ist kein eingetragener Verein. Gegründet wurde er 1905 von einigen lustigen Herren in Ruwer. Zeichen der Mitgliedschaft ist ein kariertes Lätzchen, das feierlich beim Essen um den Hals gebunden wird. Besonderen Persönlichkeiten verleiht der Club das Ehrenlätzchen. Träger der Auszeichnung sind unter anderem Triers Oberbürgermeister a. D. Helmut Schröer und der ehemalige Chefredakteur des Volksfreunds, Norbert Kohler. Bei der Einweihung der kanalisierten Mosel 1964 ließen sich bereits Bundespräsident Heinrich Lübke und Frankreichs Präsident Charles de Gaulle die Braten des Trierer Spießbratenclubs schmecken. beh

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