Männer ganz in Weiß

Vom Ausnahmefall zur akzeptierten Lebensform: Seit zehn Jahren gibt es in Deutschland die Eingetragenen Lebenspartnerschaften, meist einfach Homo-Ehen genannt. Zum Jubiläum hat am Wochenende das 90. gleichgeschlechtliche Paar seine sogenannte Verpartnerung in Trier geschlossen.

Trier/Igel. Dietmar Kruppert (30 Jahre) strahlt. Gerade hat er mit seiner großen Liebe Ringe getauscht und ihr sein Ja-Wort gegeben. Er sieht den Standesbeamten an und grinst. "Kann ich die Braut jetzt küssen?" Die Hochzeitsgesellschaft lacht und Kruppert küsst seinen nun vor dem Gesetz offiziellen Partner - den 32-jährigen Sebastian Birmes.Im Grutenhäuschen, inmitten der Igeler Weinberge, sind die beiden eine Lebenspartnerschaft eingegangen. 140 Gäste, alle in Weiß gekleidet, sind in diesem Moment mit dabei. Die meisten von ihnen passen nicht in das Häuschen - sie stehen in den Weinbergen und schauen der Zeremonie von außen zu. Sie halten sich an den Händen, umarmen sich, lächeln.Das Ereignis ist nicht nur romantisch, es fällt zudem in einen besonderen Zeitraum: Vor zehn Jahren, am 1. August 2001, trat das Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft in Kraft. Gleichzeitig sind die beiden jungen Männer das 90. gleichgeschlechtliche Paar in Trier, das sich das Ja-Wort gibt. Das stößt auf großes Medieninteresse: Neben dem Trierischen Volksfreund ist auch ein Fernsehteam dabei, das Ausschnitte der Zeremonie bei der heutigen Tagesschau (20 Uhr, ARD) zeigen will. Für den Beamten Rainer Schaack, der nur in Vertretung Trauungen schließt, ist es die erste Verpartnerung. Hinterher gibt es für ihn genau einen Unterschied zur üblichen Trauung: "Alles war ungeheuer stilvoll! Das Paar und die Gäste sahen in ihren weißen Kleidern toll aus, auch die Musiker waren klasse. So sehr legen sich Hetero-Paare nicht ins Zeug."Gruppenfoto nach Sektempfang

Nach dem Ja-Wort feiern die Gäste beim Sektempfang. Einer von ihnen ist Alex Rollinger vom Schwul-Lesbischen Zentrum Trier, kurz Schmit-z. Er unterhält sich am Rande der Feier mit einem Freund. "Ich freue mich sehr für das Paar", sagt er. "Ich kenne es seit Beginn seiner Beziehung, und es ist einfach eine wunderschöne Feier." Rollinger ist mehr als 20 Jahre in der Schwulenbewegung engagiert. So kommt es, dass bei ihm auch weitere Gefühle an diesem Tag mitschwingen. "Es war ein langer Weg bis hierhin. Es ist ein tolles Gefühl zu sehen, dass sich der Kampf gelohnt hat, dass die Homo-Ehe teilweise schon selbstverständlich geworden ist." Nach dem Sektempfang stellen sich das Paar und die Gäste zum Gruppenfoto auf, lachen und jubeln in die Kamera. Vor acht Jahren kamen Birmes und Kruppert zusammen, haben einige Höhen und Tiefen erlebt. Was bedeutet ihnen die heutige Verpartnerung? "Wir wollen ein Zeichen setzen: Wir gehören zusammen, wollen zusammen durchs Leben gehen. Und das machen wir jetzt amtlich", sagt Birmes lachend. Die Gleichstellung der Verpartnerung gegenüber der Ehe sei zwar noch nicht vollständig abgeschlossen, aber "wir sind schon auf der Zielgeraden", sagt Birmes (siehe Extra). Nur die Akzeptanz in der Bevölkerung könne sich noch weiter verbessern: "Ob wir jetzt zwei Männer, zwei Frauen oder ein Mann und eine Frau sind - es ändert nichts an der Tatsache, dass wir zwei ganz normale Menschen sind, die sich lieben."Fotostrecke und Video sehen Sie auf www.volksfreund.deSeit 1. August 2001 ist das Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft in Kraft. Es ermöglicht gleichgeschlechtlichen Paaren, sich offiziell zu binden - ähnlich wie bei einer Heirat. In den vergangenen zehn Jahren seien bundesweit 23 000 Partnerschaften begründet worden, sagt Alex Rollinger von Schmit-z e.V. In der Stadt Trier sind es bis heute 90, davon drei Viertel zwischen Männern und ein Viertel zwischen Frauen. Die Partnerschaften werden meist Homo-Ehe genannt - doch obwohl er den Ausdruck selbst benutzt, hält Rollinger den Ausdruck für irreführend: "Heute ist die Verpartnerung der Ehe fast gleichgestellt. Es gibt aber immer noch zwei wesentliche Unterschiede." So gibt es vor allem beim Unterhalts-, Güter- und Erbrecht heute zwar einen Gleichstand mit der Ehe. Bei der Einkommensteuer jedoch spielt die Verpartnerung keine Rolle - die Partner werden steuerlich wie Fremde behandelt. Außerdem ist die Adoption eines Kindes für ein homosexuelles Paar nur über Umwege möglich. "Deswegen kann dieses Gesetz nur eine Etappe auf dem Weg zur vollen Gleichstellung sein", sagt Rollinger. Immerhin habe sich das gesellschaftliche Bild zur Verpartnerung verbessert. "Früher waren Klischees viel mehr verbreitet - wie zum Beispiel, dass Schwule gar keine verbindliche Bindung eingehen könnten." aloDie Niederlande waren weltweit das erste Land, das standesamtliche Eheschließungen von Homosexuellen zuließ. Nach Inkrafttreten des Gesetzes im April 2001 folgten dem Beispiel nach Angaben des Dachverbandes der Homosexuellen-Organisationen (ILGA) sechs Staaten in Europa. Homo-Ehe: Belgien, Island, Niederlande, Norwegen, Portugal, Spanien, Schweden. Eingetragene Lebenspartnerschaft: Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Luxemburg, Österreich, Schweiz, Tschechien, Ungarn. Keine Anerkennung: Albanien, Andorra, Armenien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Estland, Griechenland, Italien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Malta, Mazedonien, Moldawien, Monaco, Montenegro, Polen, Rumänien, Russland, Serbien, Slowakei, Slowenien, Türkei, Ukraine, Vatikanstaat, Weißrussland, Zypern. dpa

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