Magische Momente hinter Gittern

Mit einer Zaubershow hat der Trie rer Künstler Leonardo Abwechslung in den Alltag der Justizvollzugsanstalt (JVA) Trier gebracht. Sein einziger Lohn: der Applaus der Zuschauer, die er als Assistenten in den Auftritt einbezog. Der TV war hinter Gittern dabei.

Trier. Der Anblick des Gefängnisses in der Trierer Gottbillstraße flößt Respekt ein. Der hohe Stahlzaun um das gesamte Gelände schließt mit großen Stacheldrahtrollen ab, um ein Überwinden zusätzlich zu erschweren. Besucher müssen ihren Ausweis zum Datencheck in eine Schublade legen, die wie beim Nachtschalter einer Tankstelle von innen eingezogen wird.

Handys streng verboten



Im Eingangsbereich tastet ein JVA-Mitarbeiter die Gäste gründlich ab und durchsucht ihre Taschen. Handys sind streng verboten. Durch Sicherheitsschleusen und Gänge geht es an mehreren Beamten vorbei in die Aula.

Der frühere Filmvorführsaal mit Bühne und aufsteigenden Sitzreihen wirkt wie ein kleines Theater. "Ich freue mich sehr auf diese neue Erfahrung", sagt Leonardo, Star des Abends, im Gespräch mit dem TV. Der 59-jährige Trierer tritt wie alle Künstler in der JVA ehrenamtlich ohne Gage auf. "Wir hatten hier schon Lesungen und Konzerte, aber das ist der erste Zauberer", berichtet Elisabeth Knapp, die sich um die Organisation der seltenen Gastspiele kümmert.

Geld taucht aus dem Nichts auf



Wer als Insasse eine solche Veranstaltung besuchen will, muss sich bewerben. Sogenannte Tatgenossen, die bei ihrer Straftat miteinander zu tun hatten, oder Insassen, gegen die Disziplinarmaßnahmen laufen, dürfen nicht teilnehmen. Von derzeit 170 JVA-Insassen sind diesmal 34 dabei.

Wachpersonal leitet die Männer in einheitlichen dunkelroten Jogginganzügen gruppenweise in die Aula. Bei der Sitzordnung gilt: Untersuchungshäftlinge müssen von Strafgefangenen getrennt werden. Die Stimmung ist überraschend locker, allerdings bleibt die Disziplin immer gewahrt.

"Habt ihr Eintritt bezahlt?", scherzt Leonardo gleich zu Beginn. Berührungsängste scheint er nicht zu kennen, beruft aus dem Publikum seinen ersten Assistenten. Aus dessen Hose, T-Shirt, Mund und Nase zaubert er Münzen und sogar ein dickes Geldbündel hervor. "Das Geld bleibt immer beim Zauberer, aber der Applaus ist für dich allein", belehrt Leonardo seinen verblüfften Helfer.

Tisch schwebt von Geisterhand



Auch JVA-Leiterin Elena Deliargyris stellt sich zur Verfügung und erlebt, wie der Magier Bälle in Serie verschwinden lässt. Nach diversen Kartentricks postiert er einen Insassen mit Blick zum Publikum, um einen optischen Trick zu zeigen. Die Zuschauer sollen zunächst 20 Sekunden auf eine Drehscheibe mit speziellem Muster schauen und dann auf den Assistenten. Ergebnis: Sein Kopf scheint viel größer zu werden, wie aufgeblasen. Beim nächsten Experiment scheint der Kopf zu schrumpfen.

Immer wieder klatschen die Zuschauer begeistert Beifall. Sie stehen auf, um freie Sicht zu haben und nichts zu verpassen. Sie diskutieren untereinander, wie die Tricks wohl funktionierten. Doch das bleibt stets ein Geheimnis. Als Leonardo wie von Geisterhand einen Tisch schweben lässt, sagt ein Insasse zu seinem Nachbarn: "Den Geist nehme ich nachher mit und lasse ihn vor meiner Tür stehen. Dann kann er mich später heimlich rauslassen."

Alle sind hoch konzentriert



Zugabe? Sehr gerne, denn "wir haben heute viel Zeit", stellt ein Insasse selbstironisch fest. Als kleines Dankeschön überreicht die JVA-Leiterin dem Magier am Ende ein Präsent aus der anstaltseigenen Werkstatt. Sie freut sich, dass die Show so gut angekommen ist: "Alle waren hoch konzentriert und haben super mitgemacht."

Auf Interviews mit dem TV verzichten die Insassen lieber, weil sie fürchten, ihr Name könnte erwähnt werden. Doch beim Verlassen der Aula fällt in ihren Reihen ein Satz, der für Leonardo die schönste Anerkennung ist: "Solche Zaubertricks will ich auch mal machen."

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