Magnet für 1,8 Millionen Gläubige

TRIER. Es war Triers Top-Ereignis der Nachkriegszeit: Die Heilig-Rock-Ausstellung 1959 zog nach offiziellen Angaben 1,8 Millionen Pilger aus aller Welt an – Teilnehmerrekord in der fast 500 Jahre langen Wallfahrtsgeschichte.

Mit Kaiser Maximilian beginnt diese Geschichte. Als 1512 der Reichstag in Trier zusammenkam, setzte sich der Herrscher gegen den Widerstand der Domgeistlichkeit durch. Maximilian erzwang die erstmalige öffentliche Präsentation des Heiligen Rockes, der bis dahin im "stillen Kämmerlein" aufbewahrt wurde, zugänglich ausschließlich für den Klerus. Die als Tunika Christi verehrte Tuchreliquie verfehlte ihre Anziehungskraft nicht: Das Volk strömte zum Dom. Und die Kirche zog ihren Nutzen aus der umsatzträchtigen Massenbewegung. Bis 1517 fand nun jährlich eine Heilig-Rock-Wallfahrt statt; mit Rücksicht auf die Konkurrenz der Aachener Heiltums-Fahrt anschließend nur noch alle sieben Jahre. Bis 1545. In Zeiten kriegerischer Auseinansetzungen ging der Heilige Rock auf unfreiwillige Wanderschaft; das häufigst genutzte Exil war die Koblenzer Festung Ehrenbreitstein, weitere Stationen waren unter anderem Augsburg, Würzburg, Bamberg, Köln und Böhmen. Nur 1655 und 1810 bekam die Öffentlichkeit das gute Stück in Trier zu sehen; hoch gestellte Persönlichkeiten kamen auf Wunsch in den Genuss exklusiver "Zeigungen". Erst 1810, als sich die Franzosen-Herrschaft im Trierer Land ihrem Ende näherte, kehrte die Reliquie wieder dauerhaft in den Dom zurück. Die Ausstellung im selben Jahr besuchten 200 000 Wallfahrer. Seither war der Heilige Rock noch fünfmal Anziehungspunkt für Pilger-Reisen: 1844, 1891, 1933, 1959 und zuletzt 1996. Die 1959er Wallfahrt ging als die mit den weitaus meisten Teilnehmern in die Bistumsgeschichte ein: 1,8 Millionen Gläubige kamen zwischen dem 19. Juli und dem 20. September zum Dom und versetzten die Stadt, die 14 Jahre nach Kriegsende noch viele Spuren von Zerstörungen aufwies, in einen Ausnahmezustand. Der heiße "Jahrhundertsommer" setzte vor allem aber den mit Sonderzügen und Bussen angereisten Gästen und den vielen Helfern zu. Gastronomen nutzten die Gunst der Stunde und erhoben klammheimlich einen "Wallfahrtszuschlag", auch Devotionalienhändler hatten Hochkonjunktur. Deutschlands älteste Stadt profitierte nachhaltig von der unbezahlbaren Tourismusförderungs-Maßnahme. Kritiker bemängelten die außerordentlich straffe Organisation. Pilger seien im "Schweinsgalopp" am Heiligen Rock "vorbeigejagt" worden. 1996 machten es die Organisatoren besser. Die bislang letzte Wallfahrt mit rund 700 000 Teilnehmern war von einer entspannten Atmosphäre und fröhlicher ökumenischer Feststimmung geprägt.Nächste Wallfahrt im Jubiläumsjahr 2012?

Zehn Jahre später laufen in Trier private Wetten, wann denn der Heilige Rock das nächste Mal gezeigt werde. Als heißer Favorit gilt das Jahr 2012. Genau ein halbes Jahrtausend nach Kaiser Maximilians Reichstag und der ersten öffentlichen Ausstellung der populärsten Bistums-Reliquie - ein Bilderbuch-Jubiläum. Die Entscheidung liegt beim Bischof, und der äußert sich (noch) nicht zu dem Thema. Muss er auch nicht, denn selbst mit Blick auf das Jahr 2012 hätte er noch Zeit. Die Botschaft von der Wallfahrt 1996 verkündete Bischof Hermann Josef Spital in seiner Silvesterpredigt 1992. Die veröffentlichten Fotos stellte uns freundlicherweise das Stadtarchiv Trier, Weberbach, zur Verfügung. Weitere Aufnahmen von der Wallfahrt 1959 sind in dem dem Bildband "Trier. Bewegte Zeiten. Die 50er Jahre" von Diplom-Archivar Bernd Simon (Stadtarchiv Trier) zu finden.

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