Mann soll Kind in Flüchtlingsheim missbraucht haben - Prozess vor Trierer Landgericht hat begonnen

Trier. · Sie sind für eine besseres Leben nach Deutschland gekommen – jetzt treffen sie sich vor dem Landgericht Trier: Ein 66-jähriger Asylbewerber soll im Herbst 2015 die Tochter einer 27-jährigen Geflüchteten missbraucht haben. Besonders tragisch: Das heute achtjährige Mädchen ist Wochen später fast ertrunken und liegt seitdem im Koma.

"Wenn es einen Gott gibt, dann wird er diesen Mann bestrafen", sagt die 27-jährige Zeugin mit Kopftuch vor dem Trierer Landgericht - in Richtung eines 66-Jährigen. Wie sie selbst ist er aus Afghanistan geflüchtet. Der Analphabet muss sich auf der Anklagebank verantworten wegen der mutmaßlichen sexuellen Belästigung der Tochter der Frau.

Die beteuert als Zeugin dennoch, kaum Groll gegen den Mann zu spüren - weil sie gerade ganz andere Sorgen habe: Das inzwischen achtjährige Mädchen hatte Anfang des Jahres einen Schwimmunfall und liegt seitdem im Koma. Wie die Mutter durchblicken lässt, geben die Ärzte ihr nicht nur keine Chance, jemals wieder gesund zu werden, sondern rechnen sogar mit ihrem baldigen Tod.

Vielleicht ist das die Erklärung, warum sie vor allem auf die Fragen von Edgar Gärtner, dem Anwalt des Angeklagten, teils unwillig, teils sogar widersprüchlich antwortet.

Auftakt mit Verspätung

Der Verteidiger vermutet hingegen nämlich, dass sein Mandant unschuldig ist und sucht nach Motiven, warum man den älteren Mann beschuldigt. Der Flüchtling soll im Oktober vergangenen Jahres im Duschtrakt der Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber im Stadtteil Euren das Mädchen im Intimbereich berührt haben. Sie, ihre Eltern und der Mann waren damals mit rund 200 anderen Menschen in einer Halle auf dem Gelände der Aufnahmeeinrichtung einquartiert. Man kannte sich wohl. Ob nur flüchtig oder besser, will das Gericht herausfinden. Doch der ganze erste Prozesstag gerät zu einer zähen Angelegenheit - nicht nur, weil zwischen dem Angeklagten und den Eltern des Mädchens und dem Gericht jedes Wort übersetzt werden muss. Die Eltern des mutmaßlichen Opfers sowie dessen Onkel erscheinen wegen einer Zugverspätung auch sehr unpünktlich.

Als sie schließlich im Gericht eingetroffen sind, bricht die Mutter nach nur wenigen Sekunden ohnmächtig zusammen. Kurz zuvor hatte sie noch ihr jüngeres Kind, einen Säugling, auf dem Arm. Erst nach einer Arztvisite im Gerichtssaal kann es losgehen.

Bis dahin hatte Anwalt Gärtner immerhin schon Zeit, einen länglichen Antrag vorzubringen: Er will, dass neben der von der Staatsanwaltschaft bestellten Sachverständigen Gallwitz auch ihr Kollege Wilfried Hommers beim Verfahren zugelassen wird. Der renommierte Würzburger Psychologe und Universitätsprofessor untermauert Gärtners Zweifel am Zustandekommen und am Wahrheitsgehalt der Aussagen des Mädchens und seiner Familie: Das vorhandene Gutachten habe Mängel. Außerdem seien dem Mädchen von verschiedenen Seiten suggestive Fragen gestellt worden, und es gebe einige Ungereimtheiten im behaupteten Tatverlauf. Problematisch sei auch, dass aufgrund des späteren tragischen Unglücks das mutmaßliche Opfer nicht mehr befragt werden kann, sondern dass nach Aktenlage entschieden werden müsse.

Sicherheitsdienst informiert

Der Angeklagte, der im Oktober 2015, zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Tat, seit rund einem Monat in Deutschland war, soll das ebenfalls aus Afghanistan stammende Mädchen gefragt haben, wo denn die Duschen der Einrichtung seien. Daraufhin soll das Mädchen, das gerade auf Rollerblades unterwegs war, den Mann mehrere Etagen ins Gebäude hoch geführt haben - die Rollschuhe immer noch an den Füßen. Im Duschbereich der Männer soll der Angeklagte schließlich das Mädchen gepackt, es auf den Mund geküsst und es schließlich im Intimbereich berührt haben.

Ein Onkel des Mädchens habe es dann bei den Duschen angetroffen. Was kurz vorher passiert sei, habe das Mädchen aber erst später offenbart. Dass sie daraufhin den Sicherheitsdienst der Einrichtung alarmiert hat, bezeichnet die Mutter heute als "großen Fehler": "Dann müsste ich heute nicht hier sitzen, während meine Tochter in Kassel mit dem Tod ringt."

Doch auch für den Angeklagten geht es um sehr viel: Dem Mann, der auf Anraten seiner Anwälte zunächst von seinem Schweigerecht Gebrauch macht, droht eine mehrjährige Haftstrafe.

Derzeit hat die Kammer um den Vorsitzenden Richter Armin Hardt noch zwei weitere Verhandlungstage angesetzt. Der nächste Termin ist am Montag, 23. Mai.

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