Mehr Mitarbeiter fürs Trierer Jugendamt

Trier · Die Entwicklung im Bereich der Jugendhilfe in Trier ist dramatisch, warnt Oberbürgermeister Klaus Jensen. Trotz aller Sparzwänge "brauchen wir hier erfahrene Kräfte, und zwar jetzt". So wurde ein Routinebeschluss im Stadtrat zum emotionalen Plädoyer des Verwaltungschefs.

Trier. Kindesmissbrauch, Vernachlässigung, an ihrem Erziehungsauftrag scheiternde und hilflose Eltern - mit deutlichen Worten zeichnete der OB eine besorgniserregende Situation und die aus seiner Sicht notwendige Reaktion der Stadt Trier. Vier befristet beschäftigte Mitarbeiterinnen des Jugendamts sollen in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis übernommen werden. Die 2011 für die Dauer von zwei Jahren eingestellten Sozialarbeiterinnen werden dem Trierer OB für seine feurige Rede besonders dankbar sein, denn eine große Ratsmehrheit stimmte der unbefristeten Übernahme zu - lange vor der kommenden Debatte um den Doppelhaushalt für 2013 und 2014 und den Stellenplan.
Die Rede des OB zeigt das gewaltige Paradoxon, an dem Trier zurzeit leidet. Die Jugend- und Sozialarbeit wird immer wichtiger, aber sie hat in Trier keine Lobby. Da muss der Chef schon mal selbst ran, um die Dinge ins richtige Licht zu rücken. "Es wird immer schlimmer", betonte Jensen. Die Folge: "Ich muss ständig prüfen, ob in einem der tragischsten Bereiche kommunaler Politik genug Personal da ist." Und eben das sei nicht der Fall.
Besondere Verantwortung


Jensen warb für die Übernahme der befristeten Kräfte, er beschwor den Rat regelrecht. Die Bewilligung der vier unbefristeten Stellen sei das Bekenntnis zu einer besonderen Verantwortung des Rates und der Verwaltung. "Gerade in diesem Bereich brauchen wir erfahrene Kräfte." Stimmen aus den Reihen der CDU und FDP kritisierten eine solche Personalentscheidung Monate vor den anstehenden Haushaltsberatungen, aber die Mehrheit stimmte den anstehenden Personalkosten von 180 000 Euro schließlich zu.
Das war der zweite wichtige Beschluss zur Jugend- und Sozialarbeit in Trier innerhalb einer Woche. Den ersten fasste der Jugendhilfeausschuss, indem er das seit Monaten heiß diskutierte Sozialsparpaket von Bürgermeisterin Angelika Birk (Die Grünen) annahm und die Zuschüsse der freier Träger der Jugend- und Sozialarbeit um fünf Prozent kürzte (der TV berichtete). 168 000 Euro spart die Stadt durch diese Kürzung, ein kleiner Teil der von der Kommunalaufsicht geforderten 1,9 Millionen Euro.
Beschluss mit einer Stimme


Außergewöhnlich war auch dieser Beschluss. Kein Ausschussmitglied stimmte für die Kürzungen, das gesamte Gremium enthielt sich. Die Hand heben musste allein Bürgermeisterin und Sozialdezernentin Angelika Birk, sie hat das Kürzungspaket immerhin vorgelegt. So gilt der Beschluss trotz aller Enthaltungen. Die Träger haben angekündigt, im Oktober über die Folgen der Kürzungen zu informieren.Meinung

Die höchste Priorität
Das Plädoyer des Oberbürgermeisters hat ein weiteres Mal bestätigt, was längst klar erkennbar ist: Die Jugend- und Sozialarbeit gehört zu den wichtigsten Arbeitsfeldern in Trier. Das haben die Alkoholexzesse an Weiberdonnerstag, die zahlreichen Missbrauchsfälle und die Babyklappe eindeutig bewiesen. Jugendarbeit braucht und verdient die höchste Priorität. Doch diese Position in der kommunalen Geltungsrangliste ist hart umstritten. Grundschulen kämpfen verständlicherweise lautstark um ihr Bestehen, Sportvereine um ihre Kunstrasenplätze. Die Mittel reichen bei weitem nicht für alle. In dieser Situation ist eine klare politische Linie der Entscheidungsträger in den Ratsfraktionen unerlässlich. Doch in Trier hat die Kommunalpolitik sich bisher nicht zur großen Bedeutung der Jugend- und Sozialarbeit bekannt. Im Gegenteil: Der Jugendhilfeausschuss segnet harte Kürzungen mittels einstimmiger Enthaltung ab und hofft, damit die Botschaft "Wir wollen ja gar nicht, aber wir müssen" zu vermitteln. Nicht der Stadtrat wird zum Fürsprecher von notwendigen Stellen im Jugendamt, sondern der OB muss diesen Job übernehmen. Jugendarbeit ist wohl nicht werbewirksam, verdient aber wesentlich mehr politische Unterstützung als die Trierer Fraktionen ihr momentan zu geben bereit sind. j.pistorius@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort