Mehr Vernetzung für besseren Opferschutz

Trier · Mit den Vergewaltigungsvorwürfen gegen Moderator Jörg Kachelmann oder Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn steht sexuelle Gewalt zurzeit in der öffentlichen Diskussion. Der Frauennotruf setzt sich schon seit Jahren für betroffene Frauen aus der Region Trier ein - 2010 waren es mehr als 100 neue Fälle. Die Vernetzung mit Polizei und Justiz soll zu besserem Opferschutz führen.

Trier. Die Frauen, die beim Trie-rer Frauennotruf anrufen, haben Schlimmes erlebt. Sie sind Opfer geworden. Von Männern, die kein "Nein" akzeptieren konnten, es einfach überhörten, sich kaltblütig nahmen, was sie freiwillig nicht bekamen. Wie bereits im Vorjahr hat der Frauennotruf in Trier im vergangenen Jahr wieder 106 neue Anfragen von Frauen verzeichnet, die von Vergewaltigung, versuchter Vergewaltigung oder sexueller Nötigung betroffen sind. "Diese Zahl besagt aber nichts über die tatsächlichen Zustände in unserer Stadt", sagt Bettina Mann vom Trierer Frauennotruf. "Die Dunkelziffer bei sexueller Gewalt ist enorm hoch." Laut einer Studie des Bundesministeriums für Familie und Frauen aus dem Jahr 2004 ist in Deutschland fast jede siebte Frau über sechzehn Jahren bereits einmal in ihrem Leben Opfer von sexueller Gewalt geworden. Mit circa 48 000 Bürgerinnen dieser Altersgruppe käme die Stadt Trier somit auf eine theoretische Opferzahl von mehr als 6800 Frauen. Studien zeigen, dass fast 70 Prozent aller Fälle von sexueller Gewalt in den eigenen vier Wänden und nicht an typischen sogenannten Angstorten verübt werden. Außerdem ist der Täter in über der Hälfte der Fälle gar kein Fremder, sondern der eigene Partner, Ex-Partner oder ein Bekannter.
"Von den Frauen, die bei uns Hilfe suchen, erstatten nur die wenigsten Anzeige - etwa jede Zehnte", schätzt Mann. Dies liege zum einen daran, dass eine Aussage vor Gericht hochgradig belastend sei. Zum anderen hätten Gerichtsverfahren gegen sexuelle Straftäter in vielen Fällen schlechte Aussichten auf Erfolg: "Oft muss das Gericht das Verfahren einstellen, weil es an Beweisen mangelt oder weil Aussage gegen Aussage steht", sagt Mann. Die Verurteilungsquote bei sexuellen Gewaltdelikten lag 2004 gerade mal bei 13 Prozent. "Dabei kommen falsche Beschuldigungen so gut wie nie vor", sagt Mann. "Die Strafverfolgung von sexueller Gewalt ist leider nach wie vor ein Problem."
Um den Opferschutz in Trier weiter zu verbessern setzt der Frauennotruf auf eine intensive Zusammenarbeit mit den Vertretern von Polizei, Justiz, Medizin und Täterverbänden. Erst vor kurzem traf sich der Regionale Runde Tisch gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen (RRT) in Trier. "Beim RRT geht es darum, verschiedene Perspektiven auf den Gewaltakt - etwa die des Opfers, des Täters, der Polizei und der Richter - miteinander auszutauschen", sagt Mann. So könne der Frauennotruf die betroffenen Frauen besser auf die Situation im Gerichtssaal vorbereiten. Andersherum profitierten aber auch die Ermittlungsbehörden von der Perspektive des Opfers, um die Beweggründe und Verhaltensmuster der Betroffenen besser einordnen zu können.
Bettina Mann hat in den vergangenen Jahren eine positive Entwicklung beobachtet: "Das Thema sexuelle Gewalt wird so öffentlich diskutiert wie noch nie, und immer mehr Betroffene nehmen unsere Angebote in Anspruch." Trier besäße ein gutes Netz an Einrichtungen für den Opferschutz, und auch die Vernetzung über den Runden Tisch sei vielversprechend. Dennoch sieht Mann noch viel Entwicklungspotenzial: "Auch in Zukunft müssen wir nach neuen Wegen der Zusammenarbeit mit der Polizei und der Justiz suchen."
Der Frauennotruf Trier, Deutschherrenstraße 38, ist unter dem Notruf-Telefon 0651/2006588 erreichbar. Weitere Informationen im Internet unter www.frauennotruf-trier.de

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