"Mein Gott - der wird doch noch leben"

Trier-Ruwer · Einer aufmerksamen Nachbarin verdankt ein 52-jähriger Frührentner aus Ruwer vermutlich sein Leben. Brötchentüten, die sich vor seiner Haustür stapelten, machten die Seniorin misstrauisch. Alarmierte Einsatzkräfte halfen dem zusammengebrochenen Mann.

Trier-Ruwer. Donnerstagmorgen, 25. Juli, 4 Uhr in Trier-Ruwer: Die 86-jährige Seniorin Marianne Backes knipst ihre Nachttischlampe an, um auf die Toilette zu gehen. Als sie aus dem Badezimmerfenster blickt, bemerkt sie, dass das Wohnzimmerfenster im Hause ihres Nachbarn auf der gegenüberliegenden Straßenseite komplett offen steht. "Das hat mich stutzig gemacht", sagt die aufmerksame Seniorin. "Denn eigentlich ist das nicht seine Art." Ihr 52-jähriger Nachbar, ein Frührentner, sei doch eher sicherheitsbewusst. "Normalerweise hat er nachts immer die Rollläden runter."
Die Seniorin behält das Haus des Nachbarn auch für den Rest des Tages im Auge. "Er hatte ja schon zwei Schlaganfälle, und wir haben ab und zu mal abends telefoniert." Sie habe ihm gesagt, er könne sich immer bei ihr melden, wenn er mal Hilfe brauche.
Das Fenster bleibt offen - den ganzen Tag. Das macht einen weiteren Anwohner, den 78-jährigen Polizeibeamten im Ruhestand Herman Gerdes, ebenso misstrauisch. "Wir dachten aber, bei der Hitze macht der ebenfalls mal das Fenster auf, um für einen Luftzug zu sorgen - obwohl das für ihn, so wie wir ihn kennen, eher ungewöhnlich ist."
Am darauffolgenden Freitag, 26. Juli, bemerkt die 86-jährige Anwohnerin noch weitere Merkwürdigkeiten am Haus des Nachbarn, das sie durch ihr Küchenfenster beobachtet. "Vor seiner Haustür standen mittlerweile mindestens vier Brötchentüten." Er sei allmorgendlich von einem Bäcker beliefert worden.
Marianne Backes\' anfängliche Skepsis erhärtet sich zum Verdacht, dass dem 52-jährigen Frührentner im Haus gegenüber etwas zugestoßen sein muss. Als sie ihren anderen Nachbarn Herman Gerdes gegen 9 Uhr draußen erblickt, handelt die 86-Jährige: "Als alte Frau habe ich mich an Herrn Gerdes gewandt." Sie bittet den rüstigen 78-Jährigen, bei ihrem gemeinsamen Nachbarn mal nach dem Rechten zu schauen. Der Ruhestandspolizist klingelt Sturm, klopft an Fensterscheiben und ruft nach dem 52-jährigen Bewohner - doch kein Lebenszeichen ertönt.
Gerdes alarmiert daraufhin die Polizei, die über eine Leiter durch das geöffnete Fenster im ersten Stock ins Haus steigt. Auf dem Boden des Wohnzimmers liegt der 52-jährige Frührentner. "Er war vermutlich bereits am Mittwochabend in seiner Wohnung zusammengebrochen, konnte weder aufstehen, noch an die Tür oder das Telefon gelangen", heißt es in einer Pressemitteilung der Polizei. Nebenan verharrt die 86-jährige Nachbarin hinterm Küchenfenster. "Ich war erschrocken, als die Polizeiautos und später der Notarzt und der Krankenwagen im Hof standen", erinnert sie sich. ",Mein Gott - der wird doch noch leben\', habe ich nur gedacht." Etwas beruhigt habe sie, als sie gesehen habe, dass er auf der Krankenbahre seine Infusion selbst festgehalten habe, während ihn die Sanitäter in den Rettungswagen getragen hätten.
Der durch die aufmerksamen Nachbarn in letzter Minute gerettete 52-Jährige befindet sich seitdem im Krankenhaus. Nach eigener Aussage geht es ihm den Umständen entsprechend gut.

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