Meinung Ein Bärendienst und eine Chance

Normalerweise geht das so, wenigstens unter Demokraten: Ich höre oder lese etwas Veröffentlichtes, das mir nicht gefällt oder mich zumindest stark verwundert. Hoppla, denke ich, da sollte man aber erst mal drüber reden, ehe ich öffentlich stänkere.

 Roland Morgen

Roland Morgen

Foto: TV/Klaus Kimmling

Also Gespräch suchen. Und wenn mich das nicht überzeugt, dann kann ich immer noch öffentlich reagieren.

Miteinander reden – genau das haben die Grünen in Sachen offener Brief nicht getan. Stattdessen wird da eine Pressemitteilung rausgehauen, und schon liegt das Kind im Brunnen. Nicht, weil die Grünen im Kern vielleicht nicht einmal ganz Unrecht haben und sich bei intensiver Betrachtung zwei, drei fragwürdige Zeitgenossen unter den Unterzeichnern befinden. Die fast 130 anderen kann man aber nicht so einfach gleich mit in die rechte Ecke stellen.

Kein Dialog-Versuch – so haftet der Grünen-Pressemitteilung etwas penetrant Oberlehrerhaftes an. Der Schaden besteht aber nicht in dem Imageproblem, das die immer wieder besserwisserisch agierenden Trierer Grünen nun erst recht haben. Sondern vor allem darin, dass sie dem Querdenkertum und seinen kruden bis offen demoktratiefeindlichen Thesen ein hohes Maß an zusätzlicher Aufmerksamkeit beschert haben. Viel Dünger für den Spaltpilz, der die Gesellschaft entzweien soll. Das bringt schenkelklopfenden und johlenden Beifall, leider von der völlig falschen Seite.

Aber ein Gutes hat die komplett übermotivierte Grünen-Attacke vielleicht doch. Sie verschafft nämlich auch dem ureigenen Anliegen des offenes Briefes mehr Publicity, als es sonst gehabt hätte. So haben SPD, CDU und Freie Wähler bereits gelobt, sich mit den Unternehmerinnen und Unternehmern über deren Sorgen und Nöte wegen unter anderem der 2G-Regel auszutauschen. Damit haben sie sich weit aus dem Fenster gehängt, und nun kann man sie an den Taten messen, die sie hoffentlich folgen lassen.

r.morgen@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort