Meinungsfreiheit und Rechtsextremismus

Kaum war der drohende Staatsbankrott in Ungarn abgewendet, da häuften sich die Meldungen über steigenden Rechtsex tremismus. Auf dem Tiefpunkt der internatonalen Wahrnehmung hat ein Budapester Gericht nun reagiert und die rechtsex tremistische "Ungarische Garde" verboten. Ist das Problem damit vom Tisch? Der TV hat sich bei in Trier lebenden Ungarn umgehört.

Trier/Budapest. (kbb) Sie marschierten in größeren Städten auf und hetzten gegen "Fremdherzige": Vor allem Juden und Roma sind in den vergangenen Monaten zur Zielscheibe geworden für eine paramilitärische Gruppierung, die sich "Ungarische Garde" nennt. Die "Garde" wurde 2007 von der rechten Partei "Jobbik" gegründet, die bei den jüngsten Europawahlen mit 15 Prozent ein Rekordergebnis einfuhr.

Ein Gericht hat die "Garde" nun verboten: In zweiter Instanz bestätigte das Hauptstädtische Gericht in Budapest ein erstes Urteil vom vergangenen Dezember. Das Urteil ist rechtskräftig, seine Wirkung aber noch ungewiss. Bedeutet die Entscheidung das Ende rechtsextremistischer Übergriffe in Ungarn?

"Ich glaube nicht, dass das Verbot einen großen Einfluss auf die ungarische Gesellschaft hat. Es gibt nach wie vor viele Foren für Rechtsextreme", sagt Katalin Járosi-Müller. Die in Ungarn geborene Ethnologin ist seit vielen Jahren in Deutschland, lehrte an der Universität Trier und besucht ihre Heimat auch heute noch regelmäßig. "Das hat damit zu tun, dass rechtes Denken in der ungarischen Kultur tiefer verwurzelt ist. Die Deutschen sind im Vergleich dazu viel stärker sensibilisiert für solche Themen."

Für die promovierte Ethnologin hat das vor allem etwas damit zu tun, dass eine wirksame Integration der rund 600 000 Roma bislang nicht in Sicht ist. "Die Roma-Kinder kommen in eigene Klassen, werden schon im Kindergartenalter ausgegrenzt. Und auch der Zusammenhang zur Kriminalität wird in Ungarn sehr unkritisch hergestellt."

Darüber hinaus erklärt die Besonderheit der neuen ungarischen Verfassung, warum vergleichweise wenig gegen Rechtsextremismus unternommen wird: "Die Meinungsfreiheit hat nach der Zeit des Kommunismus mit der Unterdrückung abweichender Ansichten einen sehr hohen Stellenwert bekommen", bilanziert Járosi-Müller. So hoch, dass selbst viele rechtsextremistische Äußerungen noch geduldet werden.

"Rechtsradikalismus ist ein großes Problem"



Mit den aktuellen Entwicklungen in ihrer Heimat beschäftigt sich auch Margit Zeimet, die Vorsitzende der Ungarisch-Deutschen Gesellschaft in Trier: "Der Rechtsradikalismus ist ein großes Problem. Ich bin selbst überrascht, wie schnell das vor allem in der Hauptstadt Budapest aufgekommen ist. Ich kann mir das als Ausdruck einer tief sitzenden Unzufriedenheit bei einigen Menschen erklären", sagt sie. Man könne die Rechten in Ungarn aber nicht mit den Rechten in Deutschland gleichsetzen.

Ob das Budapester Urteil zur "Ungarischen Garde" Bestand hat, ist noch unklar. Gabor Vona, der Parteichef von "Jobbik", soll angekündigt haben, die Entscheidung vor dem Obersten Gerichtshof in Ungarn und notfalls vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg anzufechten.

Vor diesem Hintergrund blicken viele Beobachter nun mit besonderer Spannung in Richtung der ungarischen Parlamentswahlen im nächsten Frühjahr - und auf das Abschneiden der Rechten.

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