Multi-nationaler Kindergarten

MARIAHOF. Im katholischen Kindergarten St. Michael stehen die Erzieherinnen vor einem dreifachen Problem: Überbelegung, Kinder, die kein Deutsch sprechen, sowie Kinder mit geringem Wortschatz.

Noch sind die Puzzle-Teile unordentlich über den Tisch verstreut. Doch Vitali fügt geschickt ein Teil an das andere, und zum Vorschein kommen ein Haus, eine Straße und ein rotes Auto. Neben ihm puzzelt Said, im Gegenüber tüfteln Thomas, Shiwa, Machmoud und Nicole an einem Puzzle. Sie sind sechs der 100 Kinder, die jeden Tag in den Kindergarten St. Michael kommen. Der Kindergarten ist damit voll belegt. Eltern, die derzeit ihre Kinder anmelden wollen und einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz haben, muss die Leiterin Karin Scholzen auf die Warteliste verweisen. Auch kann der Kindergarten keine Kinder mehr aufnehmen, die jünger als drei Jahre sind. Daher hat Scholzen bei der Stadt beantragt, den Kindergarten um eine fünfte Gruppe zu erweitern. "Im Moment haben wir einen unheimlichen Zuzug nach Mariahof", sagt Karin Scholzen. Durch die vielen Mehrfamilienhäuser gäbe es einen unkontrollierten Weg- und Zuzug. In die frei werdenden Reihenhäuser ziehen zudem in jüngsten Zeit viele junge Familien. "Hier vollzieht sich ein Generationenwechsel", sagt Scholzen. Noch 1970 machte die große Kinderschar der Mariahofer Neubürger eigene Räume in der Bauleitungsbaracke der gbt unsicher. In sechs Gruppen spielten dort 180 Kinder. Im gleichen Jahr wechselten die Kinder jedoch in den neu gebauten Kindergarten neben der Kirche. In den folgenden Jahren gab es auf Mariahof immer weniger Kinder, drei Gruppen mussten geschlossen werden. Seit 1986 bietet der Kindergarten wieder 100 Kindern eine tägliche Spielwiese. Aktuell stehen die Mitarbeiterinnen vor einer neuen Herausforderung. Seit kurzem besuchen 23 Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, den Kindergarten. Sie kommen aus Russland, Polen, Korea, Südafrika, Iran, Ungarn, Libanon, Jugoslawien, USA sowie Peru und sprechen kaum oder gar nicht die deutsche Sprache. "Die Integration geschieht durch das gemeinsame Spiel", hat Karin Scholzen beobachtet. Besonders beliebt ist die zum Piratenschiff umfunktionierte Puppenecke. Doch nicht nur Kinder mit einem Migrationshintergrund, auch Kinder mit deutschen Eltern kommen in den Kindergarten und können nur schlecht oder wenig Deutsch sprechen. "Das macht die Betreuung und die Kommunikation mit den Kindern sehr schwierig", sagt die Kindergarten-Leiterin. Alle 14 Tage besucht daher eine Therapeutin der Frühförderstelle die Kinder. Mit gezielten Sprachangeboten möchten die Erzieherinnen nun diese Kinder gezielt fördern. Dafür hat die Leitung beim Landesjugendamt einen Antrag auf finanzielle Unterstützung gestellt. Im Rahmen der Förderrichtlinie "Zusätzliche Sprachförderung für Kinder im Kindergartenalter ohne hinreichende Deutschkenntnisse" sollen diese Kinder ein Mal pro Woche an einem zusätzlichen Sprachunterricht teilnehmen. Der Verein für Kinder- und Jugendarbeit Mariahof und der Caritasverband werden sich dann auch an dem Sprachkursus beteiligen. In der Betreuung der 100 Jungen und Mädchen sind die Erzieherinnen stark gefordert. Denn in den vier Gruppen spielen Kinder aus ganz unterschiedlichem sozialem Milieu. Es gibt sowohl Kinder aus Familien "mit hohem Bildungsanspruch", deren Eltern sie mit Französisch- und Schwimmkursen fördern, als auch in der Entwicklung beeinträchtigte Kinder aus sozial schwachen Familien. Als der Frühstücksgong ertönt, blickt Vitali von seinem Puzzle auf, geht zum Tisch im Flur und packt neben Ricardo und Michelle sein Brot aus.

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