Nacktes mit den Augen sehen

TRIER. Vollkommen nackt ver-harrt Sara Mayer vor konzentrierten Augenpaaren in ver-schiedensten Posen. Etliche Male wird ihr Körper auf die Leinwand gebannt. Als Aktmodell weiß sie sich im Atelier der TuFa zu präsentieren, denn für den Aktzeichen-Kurs posiert sie schon einige Jahre.

 Mal mit Tuch, mal ohne: Aktmalen in der Tuchfabrik, hier mit Modell Sara Mayer und Künstler Ximena Rochas, erfreut sich zunehmender Beliebtheit.Foto: Nils Lengelsen

Mal mit Tuch, mal ohne: Aktmalen in der Tuchfabrik, hier mit Modell Sara Mayer und Künstler Ximena Rochas, erfreut sich zunehmender Beliebtheit.Foto: Nils Lengelsen

"Am wichtigsten ist immer, dass das Modell kommt. Ohne Modell ist das Aktzeichnen nun mal unmöglich." Freitagabend, kurz vor sechs Uhr: Ximena Rochas, Leiterin des Lehrgangs, trifft die letzten Vorbereitungen. Vor ihr türmen sich stapelweise Papierbögen und Karton. Pinsel, Bleistifte, Wachs- und Buntstifte sowie Tuschefedern und Kohle drängen sich in bunten Kästen und Gläsern und warten auf ihren Einsatz. Behutsam zieht Ximena Rochas die taubenblauen Vorhänge vor den Fensterfronten zu. Schließlich sind störende Blicke aus der Nachbarschaft unerwünscht.Konzentriertes Schweigen

Dann erscheinen die ersten Kursteilnehmer und zur Erleichterung von Ximena auch das Aktmodell. Es kann losgehen. Plötzlich wird es im Atelier still. Nur das Kratzen der Stiftspitzen durchbricht das konzentrierte Schweigen. Strich für Strich entstehen die ersten Konturen. Immer wieder wandern die Augen zwischen Kunstwerk und Aktmodell, um die Realität aufs Papier zu bannen. Kursleiterin Ximena Rochas gibt dabei individuelle Hilfestellung und nimmt sich für jeden Schüler Zeit. "Figurenzeichnen ist die Königsdisziplin des Zeichnens. Es kommt vor allem darauf an, das zu zeichnen, was man sieht, und nicht das, was man weiß." So wandelt die Designerin durch die Reihen und gibt ihren Schülern Tipps, falls die Figuren kippen, Stelzenbeine haben oder ihnen gar der Hals fehlt. Denn auch für Annika Hoffmann, die sich eine Kunstmappe fürs Studium zusammenstellt, ist es nicht leicht, den Körper in seinen Proportionen zu zeichnen. Erst recht nicht, da keine Zeit für Einzelheiten bleibt. "Noch eine Minute", verkündet Aktmodell Sara. Länger als zehn bis 15 Minuten kann sie nicht still stehen, dann muss die Pädagogik-studentin die Position wechseln. Zwei, drei flüchtige Bewegungen und Sara verharrt wie die Meer-jungfrau auf dem Stein in Kopen-hagen. Während sie so regungslos da sitzt, meditiert die Pädagogik-studentin ganz gern, oder denkt über die Uni und Klausuren nach. "Es ist aber auch schon mal vorgekommen, dass ich eingeschlafen bin, aber dann wird man wieder geweckt."Bei jedem Modell kühlen Kopf bewahren

Mit hellwachen Augen verfolgt Waldemar Büchert den Positions-wechsel. Das weiche Wachs in seiner Hand gleitet über den Bogen und schafft Formen und Konturen. Heute ist seine zweite Sitzung, und er weiß bei jedem Modell einen kühlen Kopf zu bewahren. "Welches Aktmodell da vorne sitzt, ist mir egal. Das kann auch ein alter Opa sein." Auch Waldemar will sich eine Mappe fürs Studium zusammenstellen und setzt die Tipps der Profizeichnerin dankbar um. Diese betont den lockeren und ungezwungenen Ateliercharakter des Lehrgangs. "Ich gebe keine Anleitungen in herkömmlicher Form, indem ich Aufgaben stelle oder Noten verteile. Die Schüler sollen experimentieren und ihren eigenen Stil finden. Ich unterstütze sie lediglich dabei und gebe ihnen Denkanstöße." Ein Aktzeichen-Kurs ist für Hobbykünstler jeden Alters und Könnens geeignet. Für vier Euro die Stunde können Anfänger und Fortgeschrittene am Freitagabend von 18 bis 20 Uhr ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Der Einstieg ist jede Woche möglich.

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